Die Kuh ist vom Eis und das Thema Zahlungsunfähigkeit der USA zumindest für die nächsten zwei Jahre vom Tisch
Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege RoboMarkets
02. Juni 2023
Die Kuh ist vom Eis und das Thema Zahlungsunfähigkeit der USA zumindest für die nächsten zwei Jahre vom Tisch, nachdem beide Kammern des US-Kongresses dem ausgehandelten Kompromiss von Präsident Biden und dem Republikaner McCarthy zur Aussetzung der Schuldenobergrenze zugestimmt haben. Ob damit allerdings auch das gesamte Thema Haushalts- und Schuldenpolitik der weltgrößten Volkswirtschaft vom Radar der Ratingagenturen und Investoren verschwunden ist, dürften erst die nächsten Tage und Wochen zeigen. Auch 2011 kam das böse Erwachen erst nach der Beilegung des Streits um die Fiskalpolitik in den Vereinigten Staaten. An der Wall Street fielen die Aktienkurse innerhalb der folgenden drei Wochen um gut 12 Prozent.
Kurzfristig allerdings war zum Ende dieser Handelswoche jede Menge Erleichterung an der Börse zu spüren, auch wenn nicht wirklich viele Anleger mehr mit einem Scheitern des Prozesses gerechnet hatten. Der Deutsche Aktienindex pendelt im Ergebnis weiter um die 16.000er Marke und damit auch um das obere Ende der wochenlangen Seitwärtsspanne, aus der der Index nur für einen kurzen Ausflug auf ein neues Jahreshoch ausgebrochen, aber genauso schnell wieder zurückgekehrt war.
Im Wochenverlauf war der DAX unter die wichtige Unterstützung bei 15.700 Punkten gefallen. Damit bröckelt zumindest aus technischer Sicht das Fundament der Rally seit vergangenem Herbst etwas und die Widerstandsfähigkeit der deutschen Aktien gegenüber einer potenziellen Korrektur an der Wall Street wird dementsprechend geringer.
Gegenwind für den deutschen Aktienmarkt kommt in diesen Tagen auch vom Devisenmarkt. Zwar ist ein schwacher Euro gut für die exportorientierten Unternehmen, ein wieder einsetzender Abwärtstrend der Gemeinschaftswährung in Richtung Parität würde aber auch Kapitalströme zurück in den Dollar-Raum nach sich ziehen. Gerade weil der DAX in den vergangenen Monaten sehr viel besser gelaufen ist als die Indizes in New York, sind Gewinnmitnahmen für ausländische Investoren derzeit durchaus attraktiv.
Und in China, der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt, trüben sich die wirtschaftlichen Aussichten mehr und mehr ein. Der Einkaufsmanagerindex für die Industrie fiel im Mai unerwartet weiter und bleibt damit unter 50 Punkten, was auf einen konjunkturellen Abschwung hindeutet. Das Land hat derzeit mit vielen Problemen zu kämpfen, dem schwachen Immobiliensektor mit einigen desolaten Großkonzernen, den Nachwehen der Pandemie sowie einem allgemeinen Rückgang der Exporte. Nach Jahrzehnten des Wachstums sind in diesen Tagen also deutliche Bremsspuren im Reich der Mitte zu erkennen, die auch in anderen Teilen rezessive Tendenzen auslösen dürften.
Rezessive Tendenzen zeigt der Arbeitsmarkt in den USA allerdings gar nicht. Im Gegenteil: Im Mai wurden 339.000 neue Stellen außerhalb der Landwirtschaft geschaffen und damit noch einmal deutlich mehr als im April. Erwartet wurden lediglich 190.000. Ginge es also allein nach der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt, dürfte sich die Fed mit einer Zinspause schwer tun. Am 14. Juni geht es dann um nicht weniger als die Frage, ob der Anfang 2022 gestartete und straff durchgezogene Zinserhöhungszyklus zunächst eine Pause einlegt. Das zumindest könnte nach den jüngsten Äußerungen wichtiger Fed-Ratsmitglieder das wahrscheinlichste Szenario sein. Und meistens bereitet die Fed den Markt relativ glaubwürdig auf ihre nächste Entscheidung vor.
Die kommende Woche startet mit diversen Einkaufsmanagerindizes aus Europa, aber auch aus den USA. Am Mittwoch könnten dann weitere Zahlen zu Im- und Exporten aus China zeigen, welche Auswirkungen der stotternde Motor der Konjunkturlokomotive auf den Außenhandel mit dem Rest der Welt hat. Die Stimmung an der Börse bleibt indes weiterhin zurückhaltend, um es positiv zu formulieren. Der zumindest vordergründig spürbare Optimismus passt so gar nicht zu den aktuellen Sentiment-Umfragen. Gerade einmal 12 Prozent der institutionellen Anleger gehen demnach von weiter steigenden Kursen aus. 80 Prozent wollen auf bessere Einstiegskurse warten. Sollten sich diese allerdings irren, lauert hier das nächste Aufwärtspotenzial für den Aktienmarkt.
Unterstützungen: 15.950/15.900 + 15.750/15.700 + 15.600/15.550
Widerstände: 16.000/16.050 + 16.100/16.150 + 16.250/16.300
Dieser Artikel stammt von RoboMarkets.