Berlin (Reuters) - Erdrutsche, Stürme, Überschwemmungen: Mit dem Ausland finanziell eng verflochtene Industriestaaten erholen sich einer Studie zufolge wirtschaftlich schneller von Naturkatastrophen wie der Jahrhundertflut an der Ahr 2021.
Berlin (Reuters) – Erdrutsche, Stürme, Überschwemmungen: Mit dem Ausland finanziell eng verflochtene Industriestaaten erholen sich einer Studie zufolge wirtschaftlich schneller von Naturkatastrophen wie der Jahrhundertflut an der Ahr 2021.
Bruttoinlandsprodukt, privater Konsum und Investitionen schneiden dort besser ab als in Ländern mit weniger offenen Finanzmärkten, wie aus der Reuters am Mittwoch vorliegenden Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervorgeht. “Offene Finanzmärkte helfen nach einer Naturkatastrophe, die Wachstumskräfte in Industrieländern zu stärken”, fasste Studienautor Malte Rieth die Ergebnisse zusammen.
Insbesondere, wenn das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital bei Auslandsverbindlichkeiten hoch ist, haben international integrierte Länder demnach Vorteile: Zwei Jahren nach dem Ereignis haben sie der Studie zufolge ein um fast zehn Prozentpunkte höheres Investitionswachstum als wenig integrierte Volkswirtschaften. Auch das Bruttoinlandsprodukt erholt sich zwischen zwei und vier Prozentpunkte stärker.
Der europäischen Politik rät das DIW, daraus Konsequenzen zu ziehen. “Die EU sollte die Rahmenbedingungen setzen, dass vor allem ausländische Investitionen in Eigenkapital attraktiv sind”, sagte Rieht. “Denn hier sind die Effekte am deutlichsten.” Für die europäischen Länder sei dafür ein transparenter Binnenmarkt für Kapital mit verlässlichen und möglichst harmonisierten rechtlichen Regeln unerlässlich. Die von der EU angestrebte, aber noch nicht vollendete Kapitalmarktunion könnte die Wirtschaft auch resilienter gegen die Verwerfungen durch Naturkatastrophen machen.
“In der öffentlichen Wahrnehmung sind vor allem Entwicklungs- und Schwellenländer von Naturkatastrophen betroffen, tatsächlich trifft es aber auch entwickelte Volkswirtschaften”, sagte Studienautorin Franziska Bremus. “Und mit fortschreitendem Klimawandel werden diese Ereignisse noch zunehmen.” Fast in jedem Quartal seit Mitte der 1990er Jahre gab es demnach in den untersuchten 25 Industrieländern mindestens eine größere Katastrophe.
Internationale Verflechtungen auf den Finanzmärkten entstehen dem DIW zufolge sowohl durch Auslandsforderungen wie grenzüberschreitende Wertpapieranlagen als auch durch Auslandsverbindlichkeiten, beispielsweise Eigenkapital aus dem Ausland oder Kredite bei ausländischen Banken. Wenn eine Naturkatastrophe ein Land trifft, sinkt in der Regel zunächst die Produktion und in Folge der private Konsum. Werde ein solcher Schock durch Finanzmarktverflechtungen aber über viele Länder verteilt, trügen ausländische Gläubiger einen Teil der Verluste mit. Zur Finanzierung des Wiederaufbaus könne Kapital aus dem Ausland genutzt werden. “Wenn zudem die inländischen Wirtschaftsteilnehmer auch Kapitalanlagen im Ausland haben, bekommen sie von dort noch Einkünfte zum Beispiel in Form von Dividenden oder Zinsen”, sagte Bremus. “Auch das kann einen Teil des Schocks glätten.”
Das DIW hat für die Studie die Daten von 25 Industrieländern ausgewertet, von Deutschland bis zu den USA. Dabei wurden die Folgen von großen Naturkatastrophen untersucht – insbesondere von solchen, die einen unmittelbaren Effekt auf die Wirtschaft haben, etwa Erdbeben, Stürme oder Überschwemmungen. “Nicht betrachtet haben wir zum Beispiel Dürren oder Hitzewellen, weil diese zeitverzögerte Effekte auf die wirtschaftliche Leistung haben”, sagte Bremus.
(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Ralf Banser – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)
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