- von Andreas Rinke und Sarah Marsh Berlin/Frankfurt (Reuters) - Die Bundesregierung will prüfen, ob Bauteile etwa der chinesischen Ausrüster Huawei und ZTE aus deutschen Mobilfunknetzen verbannt werden sollten.
– von Andreas Rinke und Sarah Marsh
Berlin/Frankfurt (Reuters) – Die Bundesregierung will prüfen, ob bestimmte Bauteile etwa der chinesischen Ausrüster Huawei und ZTE aus dem 5G-Mobilfunknetz verbannt werden sollten.
Dabei würden auch die Sicherheitsrisiken bereits verbauter Netz-Komponenten untersucht, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums in Berlin am Dienstag. Die Prüfung richte sich nicht gegen bestimmte Anbieter, fügte er mit Blick auf chinesische Firmen hinzu. Es gehe darum, die Abhängigkeit von einzelnen Anbietern zu verringern. “Wir können nicht abhängig sein von Komponenten einzelner Hersteller. Und erst recht darf nicht kritische Infrastruktur kompromittierbar sein durch Hintertüren”, sagte Finanzminister Christian Lindner (FDP) dem Sender Welt-TV.
Zuvor hatte eine mit der Angelegenheit vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters Berichte bestätigt, dass die Regierung ihre Sicherheitsprüfungen so verschärfen könnte, dass dies zum Ausschluss bestimmter chinesischer Komponenten aus dem 5G-Netz führen könne. Geprüft werden soll dies nun auf Grundlage der 2021 geänderten Gesetze in den Kern- und Zugangsnetzen. Dabei geht es auch um die Frage, ob Telekommunikationsfirmen sicherheitsrelevante Bauteile von Firmen einbauen können, die unter direkter oder indirekter Kontrolle durch eine ausländische Regierung stehen.
Wegen ihrer Nähe zur Regierung in Peking stehen chinesische Firmen wie Huawei in zahlreichen Staaten seit langem unter verschärfter Beobachtung. Die Sorge ist, dass China direkt oder indirekt Zugriff auf Daten der Mobilfunknutzer erhalten könnte. Daher hatten die USA Huawei und ZTE bereits 2020 als Gefahr für die nationale Sicherheit eingestuft und die Beschränkungen für US-Exporte an Huawei vor einigen Wochen noch einmal verschärft.
Die Bundesregierung hatte 2021 zwar hohe Hürden für die Zulassung von Firmen als Lieferanten für den Aufbau moderner 5G-Mobilfunknetze erlassen. Sie verzichtete aber auf ein explizites Verbot von Bauteilen von Huawei oder ZTE. Hintergrund sind nach Angaben aus Regierungskreisen rechtliche Probleme beim Ausschluss einzelner Firmen und die Furcht vor chinesischen Gegenmaßnahmen. Andere Länder in Europa sind strenger: Schweden etwa hat seinen Mobilfunkfirmen auferlegt, bis zum 1. Januar 2025 chinesische Komponenten aus ihren Netzen zu entfernen. In Großbritannien sollen bis zum Ende dieses Jahres Huawei-Bauteile aus den Kernnetzen verschwinden. Ab Ende 2027 dürfen keinerlei Produkte des Konzerns mehr verwendet werden. In Frankreich sollen Mobilfunker Lizenzen für Ausrüstung, die Huawei-Komponenten beinhaltet, nicht erneuern können, was einem Verbot gleichkommt.
In Regierungskreisen in Berlin hieß es, dass man noch nicht genau sagen könne, welche Komponenten des 5G-Netzes von einem möglichen Rückbau betroffen seien. Ein Sprecher des Innenministeriums betonte, dass man bei einem Ausbau nicht mit Entschädigungen für die betroffenen Mobilfunkfirmen rechne. Dies sehe das geltende Gesetz nicht vor. Ein flächendeckender Rückbau etwa von chinesischen Komponenten im 4G-Netz ist aber ohnehin nicht vorgesehen.
“DEUTSCHLAND HINKT HINTERHER”
“Die Sicherheit unserer kritischen Infrastrukturen muss dringend hochgefahren werden”, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Die Diskussion über den Ausschluss einzelner Unternehmen vom deutschen Markt lenke aber von der eigentlichen Herausforderung ab. “In so gut wie allen IT- und Kommunikationssystemen stecken in erheblichem Umfang Bauteile und Komponenten aus Ländern, die von Regierungsstellen als nur bedingt vertrauenswürdig eingestuft werden”, sagte Rohleder. Daran ändere auch das Prüfverfahren nichts. Um Abhängigkeiten von den Lieferanten abzubauen, müsse Deutschland eigene Fähigkeiten und Kompetenzen in digitalen Schlüsseltechnologien aufbauen.
“Dies ist ein Zeichen dafür, dass die Bundesregierung China-bezogene Risiken für die nationale Sicherheit endlich ernst nehmen könnte”, sagte Noah Barkin, Experte für deutsch-chinesische Beziehungen bei der Analysefirma Rhodium, zu den Berichten. “Aber nach Jahren des Zögerns ist das deutsche 5G-Netz stark von chinesischen Anbietern abhängig. Es wird viele Jahre dauern, dies aufzulösen.”
Huawei hat den Spionagevorwurf mehrfach zurückgewiesen, wollte zu den aktuellen Plänen der Bundesregierung aber nichts sagen. Ein Sprecher der Firma ZTE sagte, die Produkte seien sicher, deutsche Standards würden erfüllt. Die betroffenen deutschen Mobilfunk-Anbieter äußerten sich zurückhaltend. “Die Deutsche Telekom beteiligt sich nicht an politischen Spekulationen und potenziellen Konsequenzen”, sagte ein Sprecher des Bonner Konzerns. Außerdem wies er darauf hin, dass sein Unternehmen bereits 2019 entschieden habe, chinesische Ausrüster aus dem Mobilfunk-Kernnetz herauszunehmen.
Vodafone Deutschland verwendet eigenen Angaben zufolge im Kernnetz keine Bauteile von Huawei. Lediglich in unkritischen Bereichen kämen Komponenten von diesem Anbieter zum Einsatz. Ähnlich äußerte sich die o2-Mutter Telefonica Deutschland.
(Mitarbeit von Alexander Ratz, Hakan Ersen und Supantha Mukherjee; Redigiert von Sabine Wollrab, Kerstin Dörr.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)
Reuters, die Nachrichten- und Medienabteilung von Thomson Reuters, ist der weltweit größte internationale Multimedia-Nachrichtenanbieter, welche täglich mehr als eine Milliarde Menschen erreicht. Reuters bietet zuverlässige Geschäfts-, Finanz-, nationale und internationale Nachrichten über Thomson Reuters-Desktops, der weltweiten Medienorganisationen, sowie direkt an Verbraucher auf Reuters.com und über Reuters TV.