Berlin (Reuters) - Nach den Medienberichten über mögliche Verwicklungen pro-ukrainischer Gruppen in die mutmaßliche Sprengung der Gas-Pipelines Nord Stream in der Ostsee warnt die Bundesregierung vor frühzeitigen Festlegungen.
Berlin (Reuters) – Nach den Medienberichten über mögliche Verwicklungen pro-ukrainischer Gruppen in die mutmaßliche Sprengung der Gas-Pipelines Nord Stream in der Ostsee warnt die Bundesregierung vor frühzeitigen Festlegungen.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius sagte am Mittwoch im Deutschlandfunk, er habe die Berichte zwar mit großem Interesse zur Kenntnis genommen. Man müsse aber abwarten, was sich davon bestätige. Es könne sich auch um eine “False-Flag-Aktion” handeln, um pro-ukrainischen Gruppierungen etwas in die Schuhe zu schieben. “Die Wahrscheinlichkeit für das eine wie für das andere ist gleichermaßen hoch.” Russland forderte schnelle und transparente Untersuchungen, um Klarheit zu gewinnen.
Teile der Pipeline waren am 26. September 2022 zerstört worden, sieben Monate nach Beginn des russischen Einmarschs in die Ukraine. Schweden hatte später mitgeteilt, man habe an den Leitungen Reste von Sprengstoff gefunden. Das hatte Spekulationen befeuert, es handele sich um Sabotage. Dabei machten sich westliche Länder und Russland gegenseitig Vorwürfe. So hatte Russland erklärt, es habe sich um einen Anschlag britischer Marine-Soldaten gehandelt.
Pistorius wollte sich weiter nicht auf Urheberschaft oder Konsequenzen festlegen. Es helfe nicht, auf dieser Grundlage “jetzt darüber nachzudenken, welche Auswirkungen das auf unsere Unterstützung für die Ukraine hätte.”
Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe erklärte am Mittwoch, man habe vom 18. bis 20. Januar ein verdächtiges Schiff durchsuchen lassen. Es bestehe der Verdacht, dass es zum Transport von Sprengsätzen verwendet worden sein könnte, die zu den Explosionen an den Pipelines führten. Belastbare Aussagen zu Tätern, Motiven oder staatlicher Steuerung könnten derzeit nicht getroffen werden. Die Auswertung der sichergestellten Spuren und Gegenstände dauere an
Die “New York Times” hatte am Dienstag berichtet, US-Geheimdienste gingen davon aus, dass eine pro-ukrainische Gruppe hinter dem Anschlag stecke. Es gebe aber keine Beweise, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj oder seine führenden Mitarbeiter daran beteiligt gewesen seien oder dass Einzeltäter auf Geheiß ukrainischer Regierungsvertreter agiert hätten. In Deutschland hatte die “Zeit” unter Berufung auf eine gemeinsame Recherche mit der ARD berichtet, deutsche Ermittler hätten bei der Aufklärung offenbar einen Durchbruch erzielt. Die Spuren würden in die Ukraine führen. Laut “New York Times” ist aber weiter unklar, wer für die Anschläge bezahlt oder sie in Auftrag gegeben haben könnte. Der ukrainische Präsidenten-Berater Mychailo Podoljak sagte Reuters, die Regierung in Kiew sei absolut nicht verwickelt in den mutmaßlichen Sabotage-Akt.
In Russland forderte Präsidialsamtssprecher Dmitri Peskow, die Staaten der an den Nord-Stream-Pipelines beteiligten Firmen müssten auf schnelle und transparente Untersuchungen dringen. Eigner der in der Schweiz ansässigen Betreibergesellschaft von Nord Stream 1, der Nord Stream AG, sind neben dem russischen Staatskonzern Gazprom unter anderem Wintershall DEA und E.ON aus Deutschland. Die russische Botschaft in den USA erklärte, die Medienberichte seien der Versuch, von den wahren Drahtziehern abzulenken. Diese säßen in offiziellen Regierungspositionen und hätten den Anschlag angeordnet und koordiniert. An die Unparteilichkeit der Schlussfolgerungen der US-Geheimdienste könne man nicht glauben.
Eine Sprecherin der Bundesregierung hatte bereits am Dienstagabend erklärt, der Generalbundesanwalt ermittele seit Anfang Oktober in der Sache. Er habe damit die Hoheit über das Verfahren. Zudem liefen Untersuchungen in Schweden und Dänemark, jeweils unter Federführung der dortigen nationalen Behörden.
Im Februar hatte der US-Enthüllungsjournalist Seymour Hersh unter Berufung auf einen Hinweisgeber berichtet, Taucher der US-Marine hätten die Pipelines auf Befehl von US-Präsident Joe Biden zerstört. Unterstützt durch Norwegen hätten sie während einer Nato-Übung im Juni Sprengsätze an den Leitungen befestigt, die im September ferngezündet worden seien. Das Weiße Haus hatte dies zurückgewiesen. Durch die Pipeline Nord Stream 1 hatte Russland auch nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 Gas aus Sibirien nach Deutschland und andere Länder Europas gepumpt. Aber schon Wochen vor der Explosion hatte Russland die Lieferungen gestoppt, nach eigenen Angaben aus technischen Gründen.
(Bericht von Sabine Siebold, Lidia Kelly und Ralf Bode, redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)
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