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Kurssturz der Silicon Valley Bank erschüttert Vertrauen in Bankensektor

Von:
Reuters
Aktualisiert: Mar 10, 2023, 12:51 GMT+00:00

Frankfurt (Reuters) - Nach dem drastischen Kurssturz versucht die US-Bank SVB Financial Group ihre Kunden auf dem Wagniskapitalmarkt zu beruhigen.

ARCHIV: Das Logo der SVB (Silicon Valley Bank) ist auf der Aufnahme vom 10. März 2023 durch zerbrochenes Glas zu sehen

Frankfurt (Reuters) – Der dramatische Kurssturz bei der kalifornischen Silicon Valley Bank (SVB) hat den gesamten Bankensektor angesteckt und lauernde Probleme zum Vorschein gebracht.

“Zwar deutet die SVB wohl nicht auf eine breitere Bankenkrise, könnte sie dennoch der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt”, sagt Analyst Neil Wilson von Markets.com. Die Aktien der auf die Finanzierung von Tech-Startups spezialisierten SVB hatten am Donnerstag an der Wall Street einen Rekord-Tagesverlust erzielt und damit Börsenwerte von rund 80 Milliarden Dollar ausgelöscht. Im vorbörslichen Handel am Freitag rutschten die Titel um 40 Prozent ab. Nachdem bereits in Asien die Börsen im Sog der SVB-Probleme unter Druck geraten waren, ging der Ausverkauf bei den europäischen Finanzwerten weiter. Der Bankenindex fiel um gut vier Prozent. Im Dax verlor die Deutsche Bank sieben Prozent, die Commerzbank vier Prozent.

SVB SORGT FÜR VERTRAUENSKRISE IM BANKENSEKTOR

Bei der SVB-Gruppe, zu der die Silicon Valley Bank gehört, hatte der stets steigende Liquiditätsverbrauch ihrer Kunden aus dem Startup-Bereich die Einlagen schnell gedrückt. Um den Liquiditätsbedarf abzudecken, verkaufte die SVB ihr Anleihenportfolio mit einem Verlust von 1,8 Milliarden Dollar – etwa so viel, wie der Nettogewinn der Finanzgruppe 2021. Um ihre Bilanzen zu stärken und diese Verluste abzufedern, platzierte die SVB Aktien im Wert von 1,75 Milliarden Dollar auf den Markt.

Die Entwicklungen verursachten eine Vertrauenskrise im Bankensektor: Denn die SVB habe einen viel zu hohen Anteil ihrer Vermögenswerte in langfristige US-Staatsanleihen investiert, die sie für eine sichere Anlage hielt – doch nun sind sie viel weniger wert, schreibt Analyst Wilson in einem Kommentar. “Die Investoren warten jetzt auf Klarstellungen der großen Banken, ob und in welchem Ausmaß die Probleme von SVB Financial auch auf sie zutreffen”, sagte Jochen Stanzl, Chef-Marktanalyst bei CMC Markets. Viele Banken hielten Anleihen, deren Kurse teilweise deutlich eingebrochen seien, sagte der Analyst. Der Markt fürchte jetzt eine Implosion in den Bilanzen der Banken. Auch deutsche Geldhäuser stünden jetzt im Visier, weil der Startup-Finanzierer SVB Financial etwas offenbart habe, was auch sie angehen könnte: unrealisierte Verluste im Anleiheportfolio, sagt Stanzl.

“Die Stimmung ist, was den Bankensektor angeht, sehr fragil nach dem Aktienverkauf von SVB, der Sorgen vor Kapitalisierungsrisiken im Sektor ausgelöst hat”, sagt Marktanalystin Fiona Cincotta von City Index. “Das öffnet den Investoren die Augen für ein Problem, das sie bisher nicht auf dem Radar hatten.” Die US-Bank Morgan Stanley geht allerdings in einer ersten Reaktion nicht davon aus, dass das Phänomen SVB auch auf weitere Institute in der Region anwendbar sei: Der Finanzierungsdruck sei eigentümlich für die Silicon Valley Bank.

EIN FINANZIERUNGSPROBLEM DER TECH-UNTERNEHMEN

Nach dem drastischen Kurssturz versucht die SVB ihre Kunden auf dem Wagniskapitalmarkt zu beruhigen. SVB-Chef Gregory Becker habe sie angerufen und versichert, dass ihr Geld bei dem Institut geschützt sei, sagten zwei Insider der Nachrichtenagentur Reuters. Die Investoren blieben jedoch trotz der Platzierung der Aktien besorgt: Die Bank zählt Tech-Unternehmen zu ihren wichtigsten Kunden, die seit dem vergangenen Jahr mit einer stets verschlechternden finanziellen Lage kämpfen, auch weil durch die Anhebung der Zinsen der US-Notenbank Fed die Aufnahme von Krediten teurer wird. SVB-Chef Becker informierte die Investoren in einem Brief über die Risiken: Seine Unternehmenskunden verbrauchten immer mehr Liquidität, was zu niedrigeren Einlagen führe.

Einige Startups würden bereits ihren Geldgebern empfehlen, Kapital von dem Institut vorsichtshalber abzuziehen. Dazu gehört auch der Founders Fund von US-Tech-Investor Peter Thiel, sagte eine mit den Vorgängen vertraute Person. Die SVB war für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar.

(Bericht von Krystal Hu, Anna Tong, Ananya Mariam Rajesh, Marta Orosz, Myria Mildenberger Hakan Ersen, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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