In „normalen“ Zeiten brauchen Entscheidungen auf Bundesebene ziemlich lange, um durchgesetzt zu werden. Jedoch gibt es einige Momente, in denen rapide
In „normalen“ Zeiten brauchen Entscheidungen auf Bundesebene ziemlich lange, um durchgesetzt zu werden. Jedoch gibt es einige Momente, in denen rapide Entscheidungen benötigt und auch getroffen werden. Wir können, zum Beispiel, an die Katastrophe beim Atomkraftwerk im japanischen Fukushima zurückdenken, was den Atomausstieg in Deutschland deutlich beschleunigt hatte und somit praktisch als Katalysator wirkte.
Gestern gab Bundeskanzler Olaf Scholz bekannt, dass Deutschland nach Jahren der Abrüstung wieder aufrüsten wird. Dies folgt als Reaktion auf die militärischen Bewegungen im Osten Europas. In Zukunft soll das Verteidigungsbudget des deutschen Haushalts von 1,4% auf 2% des Bruttoinlandsproduktes aufgestockt werden. Zudem soll der Bundeswehr ein Sonderbudget von 100€ Milliarden einmalig in diesem Jahr zur Verfügung gestellt werden.
Am Finanzmarkt spürte man diese Ankündigung direkt. Die Aktie des westfälischen Rüstungskonzerns Rheinmetall stieg vom Donnerstag auf den Freitag letzte Woche um 7%. Ein solcher Sprung ist für ein Unternehmen dieser Größenordnung schon beachtlich. Geöffnet wurde der heutige Handel aber mit einem Sprung von knapp 50% ausgehend vom Handelsschluss am Freitag.
Solche Sprünge sind im europäischen Raum bei Großkonzernen eine Seltenheit. Die Rheinmetall Aktie hat über ein Jahr zwar schon einen soliden Wertzuwachs von rund 14% verbuchen können, aber diese dynamische Bewegung heute stellt diese tief in den Schatten.
Zwar kam der Kurs danach auch wieder erwartungsgemäß zurück und hing zwischenzeitlich über 17,5% im Minus im Vergleich zur Handelsöffnung, aber die langfristigen Aussichten im Rüstungssektor scheinen hier auch in Zukunft Wertzuwachs zu versprechen.
Auch in den USA nahm der Wert der Rüstungskonzerne deutlich zu. Lockheed Martin und Northrop Grumman haben seit Donnerstag knapp 10% zugenommen, bei Raytheon Technologies sind es fast 13%. Der türkische Rüstungskonzern Aselsan hat allein seit Freitag 16% zugelegt, und das obwohl der Konzern in den letzten 5 Jahren schon einen Wertzuwachs seiner Aktie von über 181% erlebt hat.
Man kann also sagen, dass dieser Sektor wieder erwacht. Jedoch darf man nicht vergessen, was dies bedeutet: die Nachfrage nach Krieg wächst! Rüstungsaktien gehören bei vielen Anlegern auf die schwarze Liste. Weitere Kandidaten auf dieser Liste sind aber auch Öl- und Gasunternehmen, Airlines, Pharma- und Biotechunternehmen oder aber auch Konzerne im Bereich Datenverarbeitung oder der Landwirtschaft. Man möchte durch die eigenen Investments bestimmte Zeichen setzen und sich von Dingen distanzieren, die man für moralisch verwerflich hält.
Dieses Bewusstsein hat sich auch unter den institutionellen Anlegern breitgemacht, die zum Teil große Positionen in börsennotierten Unternehmen schlossen, die entgegen der eigenen Wertvorstellung standen. Im Falle der Rüstungsindustrie ist dies aber nicht besonders abzusehen. Zu groß ist die Verwurzelung dieser Unternehmen in der Wirtschaft und Politik, als dass man ihnen einfach den Rücken kehren könnte.
Auch die Staaten halten große Anteile an diesen Unternehmen, was sie auch in Friedenszeiten zu relativ sicheren Anlagen machen. Ob und wie man in diese Unternehmen investiert, bleibt selbstverständlich jedem selbst überlassen. Dass viele Anleger auch ethisch geleitet und motiviert sind, ist natürlich auch eine der wichtigsten Entwicklungen in der Finanzwelt. Jedoch dürfte dies den Wertzuwachs der Rüstungsindustrie nicht merkbar bremsen – nicht mehr zumindest.
Emre Şentürk ist Head of Writing & Updates der Hopf-Klinkmüller Capital Management GmbH & Co KG (kurz: HKCM). Die HKCM ermittelt durch ein eigens entwickeltes Berechnungssystem hochpräzise Kurszielberechnungen mit einer Trefferwahrscheinlichkeit von 72% auf die benannten Tradingbereiche.