Als zweitgrößte Wirtschaft der Welt ist China längst kein Geheimtipp mehr unter Anlegern.
Global Player, wie Alibaba, Tencent, JD.com, Xiaomi und viele andere, erobern die Weltwirtschaft in Windeseile und sind beliebte Aktientitel unter Anlegern. Vor allem aber hat sich China von einem Produktionsland für Billigware in einen Markt transformiert, der innovativ ist und eigene, neue Technologien entwickelt.
Dennoch kämpfen chinesische Aktientitel mit immer weiter sinkenden Kursen. Der Hang Seng Index hat seit seinem Allzeithoch Anfang 2018 diese Level nicht mehr erreicht, während die meisten anderen Indizes in derselben Zeit stetig neue Allzeithochs ausgebaut haben.
In der Finanzwelt wird die schwache Performance der Chinesen auf das strenge Regime zurückgeführt, welches in den letzten Jahren eine Reihe von strikten regulatorischen Maßnahmen durchgesetzt hat. Vor allem wurden Technologie-Konzerne und Kryptowährungen in die Mangel genommen.
Die Unternehmen erlebten eine Reihe von Razzien und Verfahren, die immer mehr Besorgnis in der internationalen Anlegerschaft erregten. Der illiberale Kapitalismus in China weckt immer mehr Zweifel in Bezug auf die Tragbarkeit.
Meine Ansicht, die ich schon seit langer Zeit vertrete, ist dass die regulatorischen Maßnahmen strukturelle und wirtschaftskulturelle Mängel beseitigen soll, um die Unternehmen auf lange Sicht auf globale Corporate Governance Standards zu bringen. Dies würde dann das Risikoprofil der Unternehmen verbessern und somit attraktiver für internationale Investoren machen.
Jedoch steht dem Land seine komplexe Geldpolitik im Weg. Da man feste Wechselkurse und autonome Geldpolitik zugleich haben möchte, muss China die internationalen Kapitalflüsse eindämmen, bzw. kontrollieren; das schreibt das Trilemma des Wechselkursregimes vor.
Vor dem Hintergrund, dass die globale Wirtschaft immer komplexer wird und sich strukturelle Probleme, wie Inflation und Lieferketteneinbrüche, breit machen, hat China aber mit dieser Geldpolitik einen massiven Wettbewerbsnachteil. Es gibt, meiner Meinung nach, nur zwei Wege, die China einschlagen kann, um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben.
Die erste Option ist, dass die Politik noch stärker reguliert und somit noch autoritärer wird. Dadurch könnte man die Unternehmen noch besser formen und Investitionen noch besser leiten und kontrollieren. Der Nachteil ist, dass dies ein ungeheurer Aufwand ist, der keine Fehler an irgendeiner Stelle des Prozesses zulässt.
Zudem würde die kreative und innovative Arbeit der Wirtschaft eingeschränkt werden, was die Flucht aus dem Land begünstigen würde. Viel besser ist die zweite Option, welche ich auch als wahrscheinlicher ansehe: Die Öffnung der Kapitalgrenzen.
In den nächsten Jahren wird sich China von dem festen Wechselkursregime verabschieden, so meine Vermutung. Dadurch wird die Wirtschaft ein offener Markt sein, der viel deutlicher den bekannten Dynamiken unterliegt.
Das wird nicht nur ausländische Gelder ins Land holen, sondern auch Chinesen die Möglichkeit geben, im Ausland zu investieren, was aktuell nur sehr begrenz möglich ist, wenn überhaupt. Damit würde auch die Hong Konger Börse, welche ja als Schleuse für Kapital nach China fungiert, an Relevanz verlieren, die anderen beiden Börsen aber dadurch deutlich an Bedeutung gewinnen.
Seit Jahren schon schreiben chinesische Unternehmen immer mehr Aktien auf die Heimatbörsen um und lassen sich lieber im Ausland doppelt listen als in Hong Kong zu bleiben. Mit der Wahl des neuen Verwalters der Region, John Lee, dürfte Hong Kong auch politisch immer mehr in den Rest Chinas eingegliedert werden; nicht umsonst herrscht dort seit einigen Jahren zunehmend Unruhe.
Die Zeichen deuten insgesamt also auf eine Öffnung der Kapitalgrenzen, was auch die Politik bereits vor Jahren schonmal andeute.
Emre Şentürk ist Head of Writing & Updates der Hopf-Klinkmüller Capital Management GmbH & Co KG (kurz: HKCM). Die HKCM ermittelt durch ein eigens entwickeltes Berechnungssystem hochpräzise Kurszielberechnungen mit einer Trefferwahrscheinlichkeit von 72% auf die benannten Tradingbereiche.