Frankfurt (Reuters) - Aus den USA herübergeschwappte Zinsängste sorgen für anhaltend trübe Stimmung am deutschen Aktienmarkt.
Frankfurt (Reuters) – In Erwartung eines forcierten Zinserhöhungstempos der US-Notenbank Fed ziehen sich weitere Anleger aus den europäischen Aktienmärkten zurück.
Der Dax fiel am Mittwoch um 1,2 Prozent auf 13.028,00 Punkte und der EuroStoxx50 verlor 0,5 Prozent auf 3567,86 Zähler. Der US-Standardwerteindex Dow Jones hielt sich dagegen nach dem jüngsten Ausverkauf knapp im Plus. Die Börsen litten unter den Nachwehen der überraschend hohen US-Inflationsdaten. “Die Leute hatten erwartet, dass sich die Teuerung abschwächt, aber die Daten zeigen, wie hartnäckig sie ist”, sagte Seema Shah, Chef-Anlagestrategin des Vermögensverwalters Principal Global. “Die Fed muss einen Gang hochschalten.”
Immer mehr Investoren gehen davon aus, dass die Fed in der kommenden Woche den Schlüsselsatz nicht nur wie bislang erwartet um einen Dreiviertel-, sondern einen vollen Prozentpunkt anheben dürfte. Gleichzeitig werde der US-Leitzins wohl erst bei mehr als vier Prozent seinen Höhepunkt erreichen, prognostizierte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. Er halte sogar einen Wert von fünf Prozent für möglich. Derzeit liegt der Schlüsselsatz in einer Spanne von 2,25 bis 2,5 Prozent.
BRITISCHE INFLATION UND US-ERZEUGERPREISE BLEIBEN HOCH
Auch die Bank von England (BoE) bleibt unter Zugzwang, obwohl die Inflationsrate überraschend zurückging. Die Rate von 9,9 Prozent sei vor dem Hintergrund der sechs Zinserhöhungen in den vergangenen Monaten eine schlechte Nachricht für die Zentralbank, sagte Analyst David Madden vom Brokerhaus Equiti Capital. Inzwischen gilt an der Börse als sicher, dass die BoE ihren Leitzins in der kommenden Woche um 0,75 Prozentpunkte anhebt.
Vor diesem Hintergrund warfen Investoren bereits gehandelte, niedriger verzinste Staatsanleihen aus ihren Depots. Besonders hart traf es kürzer laufende Papiere. Dies trieb die Rendite der zweijährigen US-Bonds zeitweise auf ein 15-Jahres-Hoch von 3,834 Prozent. Ihre deutschen Pendants rentierten mit 1,483 Prozent so hoch wie zuletzt vor elf Jahren. Britische Titel erreichten ein 14-Jahres-Hoch von 3,143 Prozent.
GASPREIS ZIEHT AN – MÖGLICHER US-BAHNSTREIK EIN FAKTOR
Wegen des Streits innerhalb der EU um einen Preisdeckel für russisches Erdgas verteuerte sich der europäische Future um gut 16 Prozent auf 226 Euro je Megawattstunde. Da eine Einigung nicht in Sicht sei, müsse mit einer Fortsetzung dieses Trends gerechnet werden, schrieben die Analysten von EnergyScan, dem Datenanbieter des Versorgers Engie.
Beschleunigt wurde der aktuelle Preisauftrieb von einer Rally bei US-Erdgas. Der dortige Terminkontrakt legte fast fünf Prozent auf 8,681 Dollar je Million BTU zu. Auslöser war ein drohender Bahnarbeiter-Streik in den USA. Er könnte die Kohle-Lieferungen an Kraftwerke beeinträchtigen, wodurch mehr Strom aus Gas-Kraftwerken benötigt würde.
Vor diesem Hintergrund zogen sich Investoren bei Eisenbahn-Betreibern wie Union Pacific oder CSX zurück. Ihre Aktien fielen an der Wall Street um jeweils etwa drei Prozent. Die Unternehmen haben bis Freitag um eine Minute nach Mitternacht Zeit, um sich mit drei Gewerkschaften zu einigen. Ein Stillstand könnte fast 30 Prozent der US-Gütertransporte zum Erliegen bringen.
Am deutschen Aktienmarkt stürzten die Titel des angeschlagenen Gas-Importeurs Uniper um rund 18 Prozent auf 3,98 Euro ab. Der Bund prüft eine Verstaatlichung des Unternehmens, dass sich wegen ausbleibender russischer Lieferungen anderweitig teurer mit Erdgas eindecken muss und daher hohe Verluste auftürmt. “Wenn der Staat einsteigt, bleibt für die bisherigen Aktionäre nur sehr wenig übrig”, sagte ein Börsianer.
Ein erwarteter operativer Quartalsverlust brockte den Titeln von Kion einen Rekord-Tagesverlust ein. Außerdem liege der neue Gesamtjahresausblick des Gabelstapler-Herstellers deutlich unter den bisherigen Erwartungen, monierte Analyst Jorge Gonzalez Sadornil vom Bankhaus Hauck Aufhäuser Lampe. Kion-Papiere rutschten um knapp 30 Prozent ab.
(Bericht von Hakan Ersen, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)
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