Frankfurt (Reuters) - Das Ende für seine Geschäfte in Russland hat dem Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea im vergangenen Jahr einen Milliardenverlust eingebrockt.
Frankfurt (Reuters) – Für den Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea gibt es nach Russland keine Zurück.
“Wir verlassen Russland, dieses Kapitel unserer Geschichte ist abgeschlossen”, sagte Vorstandschef Mario Mehren am Donnerstag auf der Jahrespressekonferenz. “Es gibt kein Zurück. Es gibt kein Warten in der Hoffnung auf Besserung.” Der Konzern hatte im Januar – knapp ein Jahr nach Beginn des Kriegs in der Ukraine – seinen Rückzug aus Russland angekündigt. Für das lange Zaudern hatte der Vorstand viel Kritik einstecken müssen, doch für Wintershall Dea stand viel auf dem Spiel: Zuletzt machten die Geschäfte rund 50 Prozent der gesamten Produktion aus. Über 30 Jahre war Wintershall Dea in dem Land aktiv und investierte Milliarden. Nun schlägt das Aus mit einem Jahresverlust von fast fünf Milliarden Euro zu Buche.
Zum zeitlichen Ablauf des Rückzugs hielt sich Mehren bedeckt: “Wir geben keine Einzelheiten zu unseren Plänen bekannt, wie wir den Ausstieg aus Russland realisieren werden.” Es gebe dafür aber einen klaren Plan. “Wie lange das am Ende dauert, hängt nicht nur von uns, sondern auch von anderen ab.” Der Vorstand werde alle Möglichkeiten prüfen, um den Schaden für das Unternehmen zu begrenzen. “Wir werden alle rechtlichen Ansprüche prüfen, die wir gegen den russischen Staat oder andere haben könnten. Wir werden alle unsere Versicherungen prüfen, die wir abgeschlossen haben.” Dazu gehöre auch die mögliche Inanspruchnahme von Investitionsschutzgarantien durch den Bund.
Wintershall Dea ist zusammen mit dem russischen Gazprom-Konzern an drei Förderprojekten am Erdgasfeld Juschno Russkoje sowie der Achimov-Formation des Urengoi-Felds in Sibirien beteiligt. Das Unternehmen hatte trotz des Kriegs in der Ukraine weiter an den Geschäften in Russland festgehalten und gewarnt, dass bei einem Rückzug Milliardenwerte an den russischen Staat fallen würden. Letztlich wurde Wintershall Dea faktisch wirtschaftlich enteignet, wie Mehren im Januar einräumen musste. Im vergangenen Jahr musste das Unternehmen deshalb im Zusammenhang mit den russischen Geschäften einmalige Verluste von insgesamt sieben Milliarden Euro verdauen. 2022 fiel daher ein Konzernverlust von 4,8 Milliarden Euro an nach einem Gewinn von 593 Millionen vor Jahresfrist.
Seit dem Krieg hat Wintershall Dea keine Dividenden mehr aus Russland erhalten. Zwei Milliarden Euro seien “im Grunde verschwunden”, sagte Mehren. “Alle Liquidität ist weg.” Die Gemeinschaftsunternehmen in Russland setzen derweil ihre Produktion fort, wie Finanzchef Paul Smith der Nachrichtenagentur Reuters sagte. “Wir haben aufgehört, aber die Joint Ventures produzieren weiter.”
Wintershall Dea muss nun außerhalb Russlands wachsen. Dabei will sich der Konzern zunächst auf Norwegen, Deutschland, Ägypten und Argentinien kontrieren, wie Smith sagte. “Das sind die wichtigsten Säulen, die Wintershall Dea dieses und nächstes Jahr ausmachen.” Großes Potenzial sieht er zudem in Algerien und Mexiko. Verstärken will sich der Konzern auch über Zukäufe, darüber hinaus soll das Kohlenstoffmanagement- und Wasserstoff-Geschäft ausgebaut werden.
Für das laufende Jahr peilt Wintershall Dea eine Produktion von 325.000 bis 350.000 Barrel Öläquivalent (boe) pro Tag an. 321.000 boe waren es 2022 ohne Russland, inklusive Russland kam der Konzern auf 597.000 boe – beides weniger als noch 2021. Das operative Ergebnis legte im vergangenen Jahr wegen der gestiegenen Öl- und Gaspreise dennoch deutlich zu auf knapp 7,7 Milliarden Euro von 3,8 Milliarden vor Jahresfrist. Ohne Russland stieg es um 91 Prozent auf 5,9 Milliarden Euro.
Das Unternehmen entstand 2019 aus dem Zusammenschluss der BASF-Tochter Wintershall mit dem Rivalen Dea. Der Ludwigshafener Chemiekonzern hält noch 72,7 Prozent, der Rest liegt bei der ehemaligen Dea-Eignerin LetterOne. BASF brockten die Probleme bei Wintershall Dea im vergangenen Jahr ebenfalls einen Milliardenverlust ein. Seine Bilanz veröffentlicht der Chemieriese am Freitag.
(Bericht von Patricia Weiß und Vera Eckert, redigiert von Ralf Banser. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)
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