- von Howard Schneider und Ann Saphir und Reinhard Becker
– von Howard Schneider und Ann Saphir und Reinhard Becker
Washington/Berlin (Reuters) – Die Ära der großen Zinsschritte in den USA neigt sich nach der vierten XXL-Erhöhung in Folge dem Ende zu.
Die Federal Reserve schraubte den Leitzins am Mittwoch zwar erneut um einen Dreiviertel-Prozentpunkt nach oben – auf die neue Spanne von 3,75 bis 4,00 Prozent. Doch Fed-Chef Jerome Powell signalisierte, dass die Notenbank im Dezember oder im Februar das Tempo etwas herausnehmen könnte. Dies war bereits Thema auf der aktuellen Sitzung. Wichtiger als das Tempo der Anhebungen sei es, wie hoch der Zins noch steigen müsse, betonte Powell. Dieses Niveau werde letztlich wohl höher sein als ursprünglich gedacht: “Wir haben noch einiges vor uns”.
Die Fed muss aus Sicht Powells angesichts der noch immer viel zu hohen Inflation noch mehr an der Zinsfront tun. Es sei noch viel zu früh, über eine Pause zu reden. Angesichts einer Inflationsrate von zuletzt 8,2 Prozent steht die Notenbank geldpolitisch weiter unter Zugzwang. Womöglich könnte sie zum Jahresende aber eine langsamere Gangart bei den Zinserhöhungen anschlagen. An den Terminmärkten wird die Chance auf einen kleineren Zinsschritt von 50 Basispunkten im Dezember mittlerweile auf 57 Prozent taxiert. Nach weiteren Erhöhungen könnte demnach im Mai 2023 mit einem Leitzins nahe der Fünf-Prozent-Marke das Ende der Fahnenstange erreicht sein.
Die Fed erklärte, sie wolle beim Tempo weiterer Straffungsschritte wirtschaftliche und finanzielle Entwicklungen im Blick halten. Zugleich will sie dabei auch die geballte Wirkung der bisherigen Erhöhungsschritte berücksichtigen und auch, dass sich die Straffungsschritte erst mit zeitlicher Verzögerung auf die Wirtschaft auswirken.
Der Zins-Entscheid und die anschließenden Äußerungen Powells lösten an den Märkten ein Wechselbad der Gefühle aus. In der Hoffnung auf ein künftig verlangsamtes Zinstempo der US-Notenbank griffen die US-Anleger zunächst bei Aktien zu, bekamen dann aber kalte Füße. Insbesondere die Bemerkung Powells, dass es für eine Diskussion über eine Zinspause noch viel zu früh sei, wirkte als Stimmungsbremse. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte fiel zwischenzeitlich um 0,12 Prozent auf 32.613 Punkte. Der breiter gefasste S&P 500 verlor 0,76 Prozent auf 3826 Punkte, der Index der Technologiebörse Nasdaq büßte 1,24 Prozent ein und sank auf 10.755 Zählern.
“Aller Voraussicht nach war das aber der letzte XXL-Zinsschritt für dieses Jahr”, erklärte Ökonom Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Es brauche Zeit, bis die beispiellose massive Straffung der Geldpolitik auf die Gesamtwirtschaft durchwirke. Mit jedem weiteren Zinsschritt nähmen die Risiken aus einer zu starken Straffung zu. “Ab Dezember wird die Fed deshalb eine Verringerung des Leitzinserhöhungstempos beschließen”, prophezeit der Experte.
Das sieht auch LBBW-Experte Elmar Völker ähnlich: “Nach den heutigen Signalen verfestigt sich zunächst die Aussicht, dass es im Dezember einen etwas kleineren Zinsschritt um 50 Basispunkte geben wird – sofern die bis dahin noch anstehenden Inflationsdaten nicht erneut alle Erwartungen sprengen.”
Manche Ökonomen rechnen damit, dass der US-Wirtschaft im Zuge der Zinserhöhungen die Puste ausgeht und eine Rezession ausbricht. Das Bruttoinlandsprodukt war im Sommer ungeachtet der hohen Inflation und steigender Zinsen jedoch noch gewachsen. Der Immobilienmarkt kühlt mittlerweile aber ab, während sich der Arbeitsmarkt noch robust zeigt. Laut Powell hat sich der Korridor für eine “sanfte Landung” der Wirtschaft verengt – Doch sei es noch immer möglich, dass trotz des scharfen Straffungskurses der Fed eine Rezession vermieden werde könne.
(Redaktion Washington, geschrieben von Reinhard Becker. Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)
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