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US-Inflationsdruck sinkt spürbar – Fed könnte Fuß vom Gas nehmen

Von:
Reuters
Veröffentlicht: Nov 11, 2022, 06:36 GMT+00:00

- von Michael S. Derby und Reinhard Becker

ARCHIV: Ein Adler überragt die Fassade des US-Notenbankgebäudes in Washington DC, USA

– von Michael S. Derby und Reinhard Becker

Washington/Berlin (Reuters) – Der hohe Preisdruck in den USA lässt spürbar nach und nährt Spekulationen auf weniger aggressive Zinserhöhungen der Notenbank.

Die Teuerungsrate für Waren und Dienstleistungen fiel im Oktober auf 7,7 Prozent von 8,2 Prozent im September, wie das Arbeitsministerium am Donnerstag mitteilte. Experten hatten mit 8,0 Prozent gerechnet. Das ist der vierte Rückgang in Folge und nährt die Hoffnung, dass der Höhepunkt der Inflation überwunden ist. An den Terminmärkten wird nun die Chance auf 80 Prozent taxiert, dass die Zentralbank Fed im Dezember die Zinsen nur noch um einen halben Prozentpunkt anheben wird, nachdem sie zuvor eine Serie größerer Zinsschritte hingelegt hatte.

“Läuft die Inflationsrate weiter nach unten, wird die US-Notenbank einen weniger scharfen Ton an den Tag legen und ihren Zinserhöhungsgang im Dezember verlangsamen”, meinte auch Ökonom Bastian Hepperle von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. An den Terminmärkten wird damit gerechnet, dass der Zinsgipfel im März 2023 mit einem Zinsniveau von 4,75 bis 5,00 Prozent erreicht sein dürfte.

US-Währungshüter Patrick Harker sieht zumindest den Zeitpunkt näher rücken, an dem die Fed etwas den Fuß vom Gas nehmen kann. Doch sei es noch immer ein bedeutender Schritt, wenn das Tempo nach den Erhöhungen um 0,75 Prozentpunkte auf 0,5 Prozentpunkte zurückgenommen werde, sagte der Chef des Notenbank-Bezirks Philadelphia. Im nächsten Jahr werde es dann bei einem Niveau von rund 4,5 Prozent Zeit für eine Zinspause. Seine Kollegin Esther George aus Kansas City sprach sich für ein langsameres Tempo – einen “maßvolleren” Ansatz – bei den Zinsschritten aus. Ihr pflichtete Mary Daly, Chefin des Bezirks San Francisco, zwar bei. Allerdings will Daly nach eigenen Angaben die Zinsen lieber etwas zu viel als zu wenig anheben.

BIDEN: FORTSCHRITTE IM KAMPF GEGEN INFLATION

Die Federal Reserve treibt den Leitzins seit Monaten in ungewöhnlich großen Schritten nach oben, um die Inflationsrate zu drücken. Zuletzt erhöhte sie ihn erneut um einen Dreiviertel-Prozentpunkt. Er liegt damit aktuell in einer Spanne von 3,75 bis 4,00 Prozent. Die Fed will nachlegen, signalisierte aber, dass sie bald etwas Tempo herausnehmen möchte. Der US-Währungshüter Neel Kashkari nannte es jedoch “komplett verfrüht”, bereits über einen geldpolitischen Wendepunkt zu sprechen.

Auch US-Präsident Joe Biden ist der Meinung, dass es noch eine Weile dauern werde, bis die Inflation wieder auf ein normales Niveau zurückkehren wird. Doch zeigten die Daten vom Donnerstag, dass Fortschritte bei der Bekämpfung des hohen Preisdrucks erzielt würden. Nach den jüngsten Zwischenwahlen zum Kongress machte er zugleich deutlich, dass er sich von seiner Agenda nicht abbringen lassen will, US-Familien von den hohen Lebenshaltungskosten zu entlasten. “Ich werde mit Jedermann zusammenarbeiten, egal ob Demokraten oder Republikaner.”

Aktien legen zu – euro steigt

Die US-Währungshüter streben eine Inflationsrate von 2,0 Prozent an. Sie sind sich aber bewusst, dass ihre Zinserhöhungen nur mit zeitlicher Verzögerung wirken. Fed-Chef Jerome Powell habe nun Grund zum Durchatmen, meint VP Bank-Chefvolkswirt Thomas Gitzel: “Auch wenn die Inflationsraten nach wie vor üppig ausfallen, die Richtung stimmt.” Wenn es nach Corona-Krise und Ukraine-Krieg zu keinen weiteren externen Schocks komme, würden die Teuerungsraten im kommenden Jahr noch merklicher fallen.

Die Commerzbank-Volkswirte gehen zwar davon aus, dass die US-Inflation ihren Höhepunkt wohl überschritten hat: “Ein sehr rascher Rückgang sollte allerdings auch nicht erwartet werden, denn gerade bei den Mieten, dem wichtigsten Ausgabeposten, ist auch im Oktober noch keine Beruhigung zu sehen gewesen”, erklärten die Ökonomen Christoph Balz und Bernd Weidensteiner. Zudem dürfte die Inflation wegen struktureller Faktoren wie den Kosten der Klimapolitik, dem aus demografischen Gründen verringerten Arbeitsangebot und dem zunehmendem Protektionismus längerfristig höher bleiben als vor der Pandemie.

Die Daten drückten auch die Zinserwartungen an den Börsen und machten Anlegern wieder Appetit auf Risiko. An der Wall Street lagen insbesondere Technologie-Titel kurz vor Handelsschluss am Donnerstag deutlich höher. Kapitalintensive Tech-Unternehmen sind besonders von hohen Zinssätzen betroffen. Der Euro stieg um 1,4 Prozent auf 1,0151 Dollar.

(Reuters-Büro Washington, geschrieben von Reinhard Becker; Bearbeitet von Scot W. Stevenson; Redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

Über den Autor

Reuterscontributor

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