Berlin (Reuters) - Die deutsche Wirtschaft ist einer Studie zufolge weit weniger von Importen aus China abhängig als dies das enorme Defizit in der Handelsbilanz mit der Volksrepublik suggeriert.
Berlin (Reuters) – Die deutsche Wirtschaft ist einer Studie zufolge weit weniger von Importen aus China abhängig als dies das enorme Defizit in der Handelsbilanz mit der Volksrepublik suggeriert.
“Insgesamt hängt nur ein äußerst kleiner Teil der deutschen Produktion direkt oder indirekt von chinesischen Vorleistungen ab”, heißt es in der am Mittwoch veröffentlichten Untersuchung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). “Der mit Abstand größte Teil entstammt deutschen Eigenleistungen.” China dominiere allerdings bei einzelnen Rohstoffen und Produkten, insbesondere im Bereich Elektronik, den Weltmarkt sowie die deutsche Versorgung. Kurzfristig könnte China als Lieferant nicht ersetzt werden. Insgesamt werden 221 Produkte gezählt, bei denen China und Taiwan gemeinsam den deutschen Import dominieren. Bei der Mehrzahl der Produkte liegt der Importanteil bei mehr als 80 Prozent.
Für die deutsche Wirtschaft demnach unabdingbare Produktgruppen, bei denen die Abhängigkeit von China besonders hoch ist, sind der Studie zufolge mit einem Importanteil von rund 80 Prozent Laptops. Es folgen Mobiltelefone (68 Prozent), bestimmte Textilprodukte wie Spinnstoffwaren (69 Prozent), Computereinheiten wie Sound- und Grafikkarten (62 Prozent), Fotoelemente und LEDs (61 Prozent) sowie Platinen und Leiterplatten (Schaltungen gedruckt, 58 Prozent).
“Um die Versorgungssicherheit in Bezug auf kritische Rohstoffe sowie Vor- und Endprodukte zu gewährleisten, braucht Deutschland dringend eine Strategie für mehr Diversifizierung”, sagt Mitautor Alexander Sandkamp. “Dies wäre nicht nur die richtige Antwort auf zunehmende geopolitische Rivalitäten, sondern dient vor allem auch der Absicherung gegen Lieferengpässe.”
Einige der für die Produktion von Spezialtechnologie wichtigen und von der EU als kritisch eingestuften seltenen Erden und Rohstoffe wie Scandium oder Antimon bezieht Deutschland den Angaben nach zu 85 Prozent und mehr aus China. Sie kommen beispielweise in der Batterieproduktion oder Oberflächenbeschichtung zum Einsatz. Äußerst hoch ist die deutsche Abhängigkeit von China auch bei bestimmten Medizinprodukten, etwa Atemschutzmasken und Schmerzmitteln, mit Importanteilen von zum Teil über 90 Prozent.
Der Handel der deutschen Wirtschaft mit China ist 2022 ungeachtet aller politischen Warnungen vor einer zu starken Abhängigkeit auf einen Rekordwert gestiegen. Zwischen beiden Ländern wurden Waren im Wert von rund 298 Milliarden Euro gehandelt. Das ist ein Wachstum von rund 21 Prozent im Vergleich zu 2021, wie aus Reuters vorliegenden Daten des Statistischen Bundesamtes hervorgeht. Damit blieb die Volksrepublik das siebte Jahr in Folge der wichtigste deutsche Handelspartner. Deutschen Exporten von rund 107 Milliarden Euro stehen Importe aus China von 191 Milliarden Euro gegenüber. In der bilateralen Handelsbilanz weist Deutschland damit ein Defizit von rund 84 Milliarden Euro aus.
Bundesfinanzminister Christian Linder hat das kritisiert. “Gefährliche Entwicklung: Das deutsche Handelsdefizit mit #China hat sich 2022 mehr als verdoppelt”, twitterte der FDP-Politiker vorige Woche. “Aus den Erfahrungen mit Russland sollten wir lernen. Statt in zu große Abhängigkeiten zu geraten, müssen wir dringend umdenken – und auf mehr Freihandel mit Wertepartnern setzen.”
(Bericht von Rene Wagner – Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)
Reuters, die Nachrichten- und Medienabteilung von Thomson Reuters, ist der weltweit größte internationale Multimedia-Nachrichtenanbieter, welche täglich mehr als eine Milliarde Menschen erreicht. Reuters bietet zuverlässige Geschäfts-, Finanz-, nationale und internationale Nachrichten über Thomson Reuters-Desktops, der weltweiten Medienorganisationen, sowie direkt an Verbraucher auf Reuters.com und über Reuters TV.