Zürich (Reuters) - Die Schweizerische Nationalbank (SNB) erhöht angesichts eines erneut gestiegenen Inflationsdrucks die Zinsen weiter und gibt als eine der letzten Zentralbanken die Negativzinsen auf.
– von Paul Arnold und Oliver Hirt
Zürich (Reuters) – Die Schweizerische Nationalbank (SNB) verabschiedet sich als eine der letzten Zentralbanken nach mehr als sieben Jahren von den Negativzinsen.
Vor dem Hintergrund eines weiter gestiegenen Inflationsdrucks hoben die Währungshüter den Leitzins um 0,75 Prozentpunkte auf 0,5 Prozent an – so stark wie letztmals im März 2000. Und Notenbankchef Thomas Jordan stimmte die Finanzmärkte auf weiter anziehende Zinsen ein. “Wenn sie unsere neue bedingte Inflationsprognose betrachten, sehen sie, dass es am Ende des Prognosehorizonts eine Dynamik gibt, die nach oben zeigt”, sagte Jordan am Donnerstag. “Dies deutet klar darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Geldpolitik weiter gestrafft wird.”
Die Schweizer Währungshüter folgen mit ihrem Vorgehen anderen wichtigen Zentralbanken: Die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) hatten wegen der hartnäckigen Teuerung zuletzt stark an der Zinsschraube gedreht. “Die SNB musste schon fast mit einem Zinsschritt von 75 Basispunkten mitziehen, dafür waren sowohl die EZB als auch die US-Notenbank Fed zu stark vorausgeprescht”, sagte Philipp Burckhardt vom Asset-Manager Lombard Odier IM. Als letzte bedeutende Zentralbank setzt die Bank of Japan noch auf Negativzinsen.
Nach dem Zinsschritt der SNB kündigten erste Banken an, Strafzinsen für Kundenguthaben auslaufen zu lassen. “UBS wird diesem Zinsschritt Rechnung tragen und die Guthabengebühr für Privatkunden und Firmenkunden auf null Prozent reduzieren”, erklärte das größte Schweizer Geldhaus.
ANGST VOR BREIT ABGESTÜTZTER INFLATION
Zwar ist die Jahresteuerung in der Schweiz mit 3,5 Prozent im August im Vergleich zu mehr als acht Prozent in den USA und mehr als neun Prozent in der Euro-Zone vergleichsweise moderat. Sie zieht seit mehreren Monaten aber stärker an als von der SNB angepeilt, die Preisstabilität mit null bis zwei Prozent gleichsetzt. Und Notenbankchef Jordan warnte vor Zweitrundeneffekten wie einem Aufschaukeln von Preisen und Löhnen und ausufernden Inflationserwartungen. Preiserhöhungen würden verstärkt auf Waren und Dienstleistungen übergreifen, die nicht direkt vom Krieg in der Ukraine oder von den Pandemiefolgen betroffen sind, erklärte er. Im laufenden Jahr rechnet die SNB nun mit drei Prozent Inflation, nachdem sie im Juni noch 2,8 Prozent veranschlagt hatte. Im kommenden Jahr werden 2,4 Prozent erwartet und 2024 dann 1,7 Prozent.
Zum Umfang oder zum Zeitpunkt künftiger Zinsschritte wollte sich Jordan nicht äußern. Um eine übermäßige Auf- oder Abwertung des Frankens zu verhindern, will die SNB bei Bedarf am Devisenmarkt eingreifen. Der Notenbankchef räumte ein, dass der stärkere Franken den Preisauftrieb in der Alpenrepublik dämpft. Ein Wechselkursziel verfolge die Notenbank nicht.
Seit dem Zinsschritt im Juni kostet die Hauptexportwährung Euro deutlich weniger als einen Franken. Ein starker Franken macht Schweizer Waren im Ausland teurer und damit weniger konkurrenzfähig – eine Gefahr, die bei der SNB inzwischen weniger stark gewichtet wird als ausufernde Preise. Im Anschluss an den von Ökonomen mehrheitlich erwarteten 0,75-Prozent-Zinsschritt gab die Landeswährung nach. Euro und Dollar verteuerten sich auf 0,9695 beziehungsweise 0,9825 Franken.
Die Schweizer Wachstumsaussichten schätzt die SNB etwas pessimistischer ein als im Juni. Sie rechnet 2022 nun mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um rund zwei Prozent nach bisher rund 2,5 Prozent.
(redigiert von Hans Seidenstücker; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)
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