Berlin/Frankfurt (Reuters) - Deutschland kommt laut Bundesbank in diesem Jahr womöglich um eine Rezession herum.
Berlin/Frankfurt (Reuters) – Deutschland kommt laut Bundesbank in diesem Jahr womöglich um eine Rezession herum.
Zu in etwa gleichen Schlüssen kommt auch das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Noch im Dezember hatte die Bundesbank für 2023 einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,5 Prozent vorausgesagt. Inzwischen sehe das etwas günstiger aus, sagte Bundesbank-Chefvolkswirt Jens Ulbrich am Mittwoch bei einem virtuellen Pressegespräch. “Wir würden aus heutiger Sicht im ersten Quartal minus 0,3, vielleicht minus 0,4 sehen, dann eher Stagnation und dann die Erholung ab der Jahresmitte”, sagte Ulbrich. “So dass wir eventuell in diesem Jahr auch gar nicht mit negativem BIP-Wachstum rechnen müssen in Deutschland.”
Laut IMK hat sich die Wahrscheinlichkeit einer Rezession mittlerweile deutlich verringert. Für die drei Monate Februar bis April sei das Risiko auf 21,7 Prozent gesunken, wie aus dem Indikator des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) hervorgeht, der der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch vorlag. Das ist bereits der vierte Rückgang in Folge. Anfang Januar wurde die Wahrscheinlichkeit für die folgenden drei Monate noch mit 29 Prozent beziffert. Das nach dem Ampelsystem arbeitende Frühwarninstrument schaltete dadurch erstmals seit Februar 2022 auf die niedrigere Warnstufe “gelb-grün”, die für ein moderates Wirtschaftswachstum steht.
“Die deutsche Wirtschaft dürfte die Talsohle durchschritten haben”, sagte IMK-Konjunkturforscher Thomas Theobald. Ab dem Frühjahr sollte es zu einer konjunkturellen Erholung kommen. Trotz verbesserter Aussichten blieben allerdings hohe Unsicherheiten. “Ob die Erholung im Jahresverlauf aber mehr als ein gedämpftes Wachstum erlaubt, ist angesichts weiter steigender Zinsen mit einem Fragezeichen zu versehen”, sagte Theobald. “Als Sorgenkind erweist sich zudem die Entwicklung der Produktion in energieintensiven Industriezweigen.”
Nach Einschätzung von Bundesbank-Chefökonom Ulbrich bleibt der private Wohnungsbau der Schwachpunkt der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. “Da kommt so ein bisschen der perfekte Sturm zusammen”, sagte Ulbrich. Dabei verwies er unter anderem auf die steigenden Zinsen, auf Rückgänge im verfügbaren Einkommen, auf die höhere Inflation und die hohen Energiepreise. “Das heißt, wir werden in diesem Jahr ganz kräftige Rückgänge bei den Wohnungsbau-Investitionen sehen”, sagte er. 2024 werde sich angesichts des Wohnbedarfs aber die Investitionstätigkeit wieder erholen.
Die deutliche Entspannung beim Rezessionsrisiko ergibt sich dem IMK zufolge im Wesentlichen aus positiven Trends bei Stimmungs- und Finanzmarktindikatoren. Insbesondere die Exportaussichten hellen sich demnach auf – auch weil sich die US-Wirtschaft trotz hoher Zinsen robust entwickele und sich die Situation in China normalisiere. Auch zeigten die Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe zuletzt nach oben.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist vor der Jahreswende überraschend um 0,2 Prozent gesunken, nachdem es im Sommerquartal noch um 0,5 Prozent zugelegt hatte. Kommt es im laufenden ersten Vierteljahr zum zweiten Minus in Folge, sprechen Volkswirte von einer technischen Rezession. Mit Blick auf das Szenario einer Abfolge von zwei Quartalen mit schrumpfender Wirtschaftsleistung sagte Ifo-Chef Clemens Fuest am Dienstag beim sogenannten Leibniz-Wirtschaftsgipfel: “Wir sind da genau an der Grenze – also wahrscheinlich schon”. Doch werde eine Rezession eher flach ausfallen.
(Bericht von Rene Wagner, Frank Siebelt; Redigiert von Scot W. Stevenson.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)
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