Frankfurt (Reuters) - Die Furcht vor einer Rezession lässt den Euro bis an die Kante zur Dollar-Parität fallen und zieht Europas Börsen weiter nach unten.
Frankfurt (Reuters) – Die Anleger in Europa haben vor dem erwarteten Anstieg der US-Inflation auf ein 40-Jahres-Hoch einen großen Bogen um Aktien gemacht.
Der Dax gab zur Wochenmitte um bis zu 1,3 Prozent auf 12.736 Punkte nach. Der EuroStoxx50 büßte in der Spitze 1,2 Prozent auf 3445 Zähler ein. Investoren trieb weiter die Angst vor einer Rezession infolge zu schnell angehobener Zinsen und der Gas-Krise um. “Die Sorge vor einem anhaltenden Erdgaslieferstopp nach dem Ende der Wartungsarbeiten an Nord Stream 1 ist groß, obwohl es keine klaren Anzeichen dafür gibt”, sagte Ulrich Stephan, Anlagestratege bei der Deutschen Bank.
Der Euro bewegte sich vor den US-Inflationsdaten mit 1,004 Dollar weiterhin an der Schwelle zur Dollar-Parität. Solange die Unsicherheit über die Gaslieferungen nach Europa dominiert, sehen Börsianer die Gemeinschaftswährung unter Druck. Am Vortag war der Euro um bis zu 0,4 Prozent auf 1,00005 Dollar gefallen und damit haarscharf an der Parität zur Weltleitwährung vorbeigeschrammt. “Nachdem der Markt gestern die Parität getestet, also den Finger mal schnell ins kalte Wasser gehalten hat, kann ich mir vorstellen, dass wir einen erneuten Anlauf nehmen”, sagte Commerzbank-Analystin Antje Praefcke.
GAS-KRISE ERHITZT WEITER GEMÜTER
Zum Wochenanfang war die wichtige Gas-Pipeline “Nord Stream 1” wegen Wartungsarbeiten abgeschaltet worden. Mit Spannung wird nun erwartet, ob die russischen Lieferungen nach Abschluss der Arbeiten in der kommenden Woche wieder aufgenommen werden. Die Konjunkturaussichten verdüsterten zudem erneute Corona-Auflagen in chinesischen Städten, um die Ausbreitung einer hochansteckenden Untervariante des Virus zu verhindern.
In dieser Gemengelage richteten Investoren ihre Hauptaufmerksamkeit auf die anstehenden Inflationsdaten in den USA, von denen sie Hinweise für das Tempo der Zinserhöhungen erhofften. Sollte die Teuerungsrate über dem von Experten erwarteten Wert von 8,8 Prozent liegen, sehen Börsianer den Weg für einen weiteren Zinsschritt um 0,75 Prozentpunkte bei der Sitzung der US-Notenbank Fed in zwei Wochen geebnet. “Die Märkte sind in Sorge, dass die Notenbanken zu stark an der Zinsschraube drehen und damit die Industrieländer in die Rezession führen”, sagte Norbert Frey, Fondsexperte der Fürst Fugger Privatbank.
Rezessionsängste drückten auch die Preise am Rohstoffmarkt. Spekulationen auf eine schwindende Nachfrage setzten unter anderem Kupfer erneut zu. Der Preis für das Industriemetall fiel um mehr als zwei Prozent auf ein Eineinhalb-Jahres-Tief von 7202,50 Dollar je Tonne.
Bei den Einzelwerten hob sich Gerresheimer vom Gesamtmarkt ab. Nach überraschend starken Quartalszahlen zogen die Titel in der Spitze um 10,2 Prozent an und enteilten damit den anderen Werten im MDax. Auch der Ausblick auf das zweite Halbjahr sei gut gewesen, sagte ein Händler. Der für die Pharma- und Kosmetikindustrie produzierende Verpackungshersteller betonte, es sei nicht zu befürchten, dass der Firma bei Engpässen der Gashahn zugedreht werde, da die Produkte wichtiger Bestandteil des Gesundheitssystems seien.
Knapp vier Prozent nach oben ging es auch für Fraport-Aktien, nachdem die Fluggastzahlen am Frankfurter Flughafen im Juni einen neuen Höchstwert seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie erreicht hatten. Die Experten der Berenberg Bank stuften die Titel zudem auf “Buy” von zuvor “Hold” hoch.
Dagegen schickte das geringe Anlegerinteresse an der zwei Milliarden Euro schweren Kapitalerhöhung Saipem erneut auf Talfahrt. Die Aktien des Ölindustrie-Dienstleisters fielen in Mailand um 32 Prozent auf 1,32 Euro. Damit haben sie binnen zwei Tagen rund zwei Drittel ihres Wertes eingebüßt. Investoren hatten nur rund 70 Prozent der zum Preis von je 1,013 Euro angebotenen Titel gezeichnet.
(Bericht von Stefanie Geiger, redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)
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