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Oliver Blume – Der “Anti-Diess” baut Volkswagen behutsam um

Von:
Reuters
Veröffentlicht: Mar 31, 2023, 08:31 GMT+00:00

- von Jan Schwartz Hamburg (Reuters) - Volkswagen-Chef Oliver Blume beschreibt sich gerne als strategisch denkenden Manager - "Hands-on", wie man auf Managerdeutsch sagt.

Oliver Blume – Der “Anti-Diess” baut Volkswagen behutsam um

– von Jan Schwartz

Hamburg (Reuters) – Volkswagen-Chef Oliver Blume beschreibt sich gerne als strategisch denkenden Manager – “Hands-on”, wie man auf Managerdeutsch sagt.

Er verfolgt einen Plan, um den Wechsel in die E-Mobilität beschleunigen, gleichzeitig will er dem dümpelnden Aktienkurs auf die Sprünge helfen. Hochfliegende Visionen sind nicht seine Stärke. “Ich bin ein Mensch, der nicht in der Lage ist zu sagen, wie die Welt in hundert Jahren aussieht”, sagte der Konzernchef bei seiner ersten Bilanzpressekonferenz. Menschen, die als Visionäre bezeichnet würden, hätten andere Eigenschaften. Er wisse dagegen genau, wie man Projekte umsetze und eine Marke zum Erfolg führe. Und er wisse, wie man die Belegschaft einbinde.

Damit verkörpert Blume das Gegenteil dessen, für das sein Vorgänger Herbert Diess stand. Der quirlige Manager hatte den Wolfsburger Autokonzern binnen weniger Jahre in Richtung Elektromobilität und Digitalisierung gedrängt. Bei Investoren kam die Vision zunächst gut an, dass VW ein ernstzunehmender Rivale von Tesla werden sollte. An der Börse verblasste der Effekt jedoch bald. Am Ende musste Diess gehen, auch weil ambitionierte Softwareprojekte stockten und der Konzernchef vergessen hatte, das Management mitzunehmen.

Blume will nun die Kräfte wecken, die in den Konzern stecken und unter Diess ungenutzt blieben. Nach dem Vorbild der Sportwagentochter Porsche AG, die der 54-Jährige in Personalunion führt, sollen alle Marken sich an Kriterien des Kapitalmarkts orientieren und Volkswagen so an der Börse Auftrieb geben. Michael Muders von Union Investment begrüßt solche virtuellen Börsengänge, die Blume allen Sparten verordnet hat. “Wenn man den IPO-Prozess durchläuft, eine Due Dilligence macht, sich dem Kapitalmarkt stellt, werden Schwachstellen offengelegt.” Das sei sehr disziplinierend für das Management. Der Fondsmanager verweist auf den inzwischen als eigenständiges Unternehmen an der Börse gelisteten Lkw-Bauer Daimler Truck. Die frühere Daimler-Sparte sei lange hinter den Erwartungen zurückgeblieben. “Das hat sich erst geändert, als sich das Management dem Kapitalmarkt stellen musste.”

WAS PASSIERT, WENN MARKEN IHRE ZIELE VERFEHLEN?

Auch Ingo Speich, Corporate-Governance-Experte von Deka Investment, findet es gut, wenn das Management den Fokus stärker auf den Kapitalmarkt lenkt. “Das ist in der Vergangenheit oft zu wenig geschehen.” Speich gibt allerdings zu bedenken, dass Konsequenzen noch offen seien, wenn Marken ihre Ziele verfehlen.

Skeptisch äußerte sich Daniel Schwarz von der Investmentbank Stifel. Der Porsche-IPO sei zwar ein Erfolg für die Aktionäre der Sportwagentochter gewesen, für Volkswagen und die Familienholding Porsche SE habe er aber nicht die erhoffte Aufwertung gebracht. Stattdessen sei der Kurs-Abschlag von Volkswagen offenbar auf unbestimmte Zeit zementiert. “Wir glauben, dass die Präsentation der virtuellen Aktiengeschichten auf einem Kapitalmarkttag im Juni die Wahrnehmung von VW nicht ändern wird”, schrieb der Analyst in einem Börsen-Kommentar.

Als Grund für den Kursabschlag sieht Speich auch die schlechte Unternehmensführung (Corporate Governance) bei Volkswagen. Investoren bemängeln seit langem die Interessenverflechtung in dem Auto-Imperium. Sein größter Kritikpunkt sei die Doppelrolle von Blume: “Die Rolle des Vorstandschefs hat selbst Diess vor echte Schwierigkeiten gestellt. Wie will Blume es für zwei Dax-Konzerne schaffen?” Als Volkswagen-Chef könne er unterschiedliche Interessenslagen nicht moderieren, er gehe als Porsche-Chef ja mit einer bestimmten Haltung an die Themen heran.  

Der Autoexperte Stefan Bratzel sagte, Diess habe zwar hehre Ziele verfolgt, sich um die Umsetzung aber nicht gekümmert. “Diess war ein guter Wegbereiter für einen Teamplayer wie Blume”, meint Henning Cosman von Barclays. Investoren wollten sehen, dass Schwächen bei VW behoben würden – egal, welche Person an der Unternehmensspitze das bewirke, sagte der Analyst.

Ein manager ohne knalleffekt

Nach Ansicht von Ferdinand Dudenhöffer hat Diess zu viel gleichzeitig gewollt und die Organisation damit überfordert. Blume gehe behutsamer vor. “Seine Arbeitsweise ist systematisch, so wie bei Menschen, die lange große Produktionsstätten geleitet haben”, so der Autoprofessor. Dabei komme es nicht auf Knalleffekte an, sondern auf die Stabilität der Produktion und die 100 Stellschrauben, an denen gedreht werde müsse. “Es ist eine Art kontinuierlicher Verbesserungsprozess.” Die Gefahr sei allerdings, dass Tesla Volkswagen in der Elektromobilität enteile.

Der Betriebsrat, der mit Diess im Dauerstreit lag, lobte die Zusammenarbeit mit Blume. “Das hat schon so etwas wie Handschlagqualität. Da ist auch eine Art von Vertrauen gewachsen – zumindest eine solide, belastbare Arbeitsgrundlage”, sagte ein Sprecher. Die Arbeitnehmervertretung, die bei VW ein besonderes Mitspracherecht hat, zeigte sich auch offen für weitere Börsengänge. “Wir schauen uns das an, wenn so ein Thema kommen sollte, was aktuell nicht der Fall ist. Das haben wir bei Traton gemacht und bei der neuen Struktur für Bugatti – und das haben wir zuletzt auch bei Porsche so gemacht.”

Warten auf ideen von blume

Blume legte zu Beginn seiner Amtszeit Anfang September ein hohes Tempo vor. Erst verkleinerte er den Vorstand um drei auf neun Positionen. Die traditionelle Planungsrunde des Aufsichtsrats verschob er. Der Maschinenbauer, der praktisch sein gesamtes bisheriges Berufsleben im Konzern verbracht hat, wollte sich erst eine Übersicht verschaffen, bevor er über wichtige Investitionen der nächsten Jahre entschied. Die Pläne seines Vorgängers beim autonomen Fahren stutzte er. So wurde der Start des Trinity-Projekts für vollautomatisiertes Fahren verschoben und der Bau einer von Diess dafür geplanten Fabrik zur Disposition gestellt. Bei den Plänen für neue Batteriezellwerke in Europa nimmt der Konzern den Fuß vom Gas, investiert stattdessen in Nordamerika, wo hohe Subventionen winken. Nun warten alle, ob er das Tempo beibehalten kann. Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler setzt darauf, dass nach den Aufräumarbeiten und guten Geschäftszahlen bald auch neue Ideen von Blume kommen.

(Weitere Reporterinnen: Ilona Wissenbach, Victoria Waldersee, redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

Über den Autor

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