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Neue britische Regierung schwenkt um – Steuern rauf statt runter

Von:
Reuters
Aktualisiert: Nov 17, 2022, 15:21 GMT+00:00

London (Reuters) - Die neue britische Regierung von Premier Rishi Sunak wendet sich von den Steuersenkungsplänen der Vorgängerin ab und setzt auf Haushaltssanierung.

Der britische Finanzminister Jeremy Hunt verlässt Downing Street 10 in London, Großbritannien, am 17. November 2022. REUTERS/Toby Melville

London (Reuters) – Die neue britische Regierung von Premier Rishi Sunak wendet sich von den Steuersenkungsplänen der Vorgängerin ab und setzt auf Haushaltssanierung.

Finanzminister Jeremy Hunt stellte am Donnerstag seine an den Finanzmärkten mit Spannung erwarteten Konsolidierungspläne vor. Damit soll in den nächsten Jahren eine rund 55 Milliarden Pfund (rund 62,8 Milliarden Euro) große Haushaltslücke geschlossen werden. Knapp die Hälfte davon soll über die Steuerseite zusammenkommen, der Rest über Ausgabendisziplin.

Unter anderem sollen laut dem Budgetplan Übergewinnsteuern für Öl- und Gaskonzerne erhöht und künftig auch Stromversorger zur Kasse gebeten werden. Auch die Steuerlast für Besserverdiener steigt. Die Schwelle für die Zahlung des Spitzen-Einkommensteuersatzes sinkt von 150.000 auf 125.140 Pfund pro Jahr. Es gehe darum, von denjenigen, die mehr besäßen, auch mehr zu verlangen, betonte Hunt. “Heute stellen wir einen Plan vor, um die Krise der Lebenshaltungskosten anzugehen und unsere Wirtschaft wieder aufzubauen”, sagte der Finanzminister. Die öffentlichen Ausgaben würden langsamer wachsen als die Wirtschaft, aber die Gesamtausgaben für öffentliche Dienstleistungen in den nächsten fünf Jahren preisbereinigt steigen.

Hunt hatte “harte, aber notwendige” Entscheidungen angekündigt, die auch zur Eindämmung der zuletzt auf 11,1 Prozent gestiegenen Inflation auf der Insel beitragen sollen. Der Sparkurs ist ein drastischer Kursschwenk nach der kurzen Regierungszeit von Sunaks Amtsvorgängerin Liz Truss, die mit finanziell nicht abgesicherten Steuersenkungsplänen Turbulenzen an den Anleihemärkten ausgelöst hatte. Diese legten sich erst nach einer Intervention der Notenbank.

Zwischenruf aus berlin

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) meldete sich am Donnerstag mit einem Zwischenruf aus Berlin zu dem teils chaotisch anmutenden Regierungsintermezzo von Truss zu Wort: Der Wohlstand müsse erst erwirtschaftet werden, bevor er verteilt werde: “Es auf Dauer andersherum zu machen, kann nicht funktionieren – freundliche Grüße nach London.” Der Staat könne nicht mehr Geld ausgeben, als er zur Verfügung habe.

Großbritannien sitzt auf einem Schuldenberg von 2,45 Billionen Pfund (rund 2,8 Billionen Euro). Hunt will mit seinem Sanierungskurs dafür sorgen, dass verloren gegangenes Vertrauen der Anleger zurückkehrt und die Finanzierungskosten des Staates damit im Zaum gehalten werden. Vertrauen sei nicht selbstverständlich, betonte Hunt: “Wir Konservativen überlassen die Schulden nicht der nächsten Generation.”

Der Finanzminister sagte, laut der unabhängigen britischen Haushaltsbehörde stecke die Wirtschaft im Vereinigten Königreich bereits in einer Rezession. 2023 soll die Wirtschaftsleistung demnach um 1,4 Prozent schrumpfen. Die Notenbank befürchtet, dass sich die Rezession über Jahre hinziehen könnte.

Zugleich ist die Regierung gefordert, den Bürgern in Zeiten stark steigender Energiekosten weiter Entlastung zu verschaffen. Laut dem Statistikamt ONS wäre die Inflation im Oktober sogar auf 13,8 Prozent geklettert, wenn die Regierung die Energiekosten der Haushalte nicht gedeckelt hätte. Diese staatlich verordnete Obergrenze für die Energierechnungen der Haushalte auf durchschnittlich 2500 Pfund pro Jahr läuft im April aus. Hunt kündigte nun an, die Deckelung danach um zwölf Monate zu verlängern und zugleich um 500 Pfund aufzustocken.

Zudem kündigte Hunt an, dem Vorschlag der Niedriglohnkommission zu folgen und den Mindestlohn ab April um 9,7 Prozent auf 10,42 Pfund (11,92 Euro) anzuheben. Kritik kam umgehend von Gewerkschaftsseite: Gary Smith, Generalsekretär der Gewerkschaft GMB, erwartet, dass den Arbeitern trotz der Erhöhung preisbereinigt weniger in der Lohntüte bleibt: “Die Konservativen haben die Wirtschaft an die Wand gefahren und jetzt sollen die Arbeiter die Rechnung begleichen.”

(Bericht von Kate Holton, David Milliken, Alistair Smout, Wiliam Schomberg, Andy Bruce; geschrieben von Reinhard Becker, Mitarbeit Christian Krämer, Klaus Lauer, redigiert von Sabine Ehrhardt; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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