- von Balazs Koranyi und Francesco Canepa
– von Balazs Koranyi und Francesco Canepa
Washington/Frankfurt (Reuters) – Die Währungshüter der Europäischen Zentralbank (EZB) haben Insidern zufolge kürzlich über einen Zeitplan für den künftigen Abbau ihrer billionenschweren Anleihenbestände diskutiert.
Dabei sei ein Startdatum für die Verringerung der Bestände im zweiten Quartal 2023 vorgebracht worden, sagten drei Insider der Nachrichtenagentur Reuters. Ein EZB-Sprecher lehnte eine Stellungnahme zu den Informationen ab. Durch die billionenschweren Anleihenkaufprogramme der vergangenen Jahre ist die Notenbankbilanz der EZB inzwischen auf fast neun Billionen Euro angeschwollen. In der Fachwelt wird der Bilanzabbau über eine Verringerung von Anleihenbeständen als “quantitative Straffung” (QT – Quantitative Tightening) bezeichnet.
Bislang stellt die EZB in Aussicht, auslaufende Anleihen aus ihrem Ankaufprogramm APP auch nach der ersten Zinserhöhung für eine längere Zeit wieder durch neue Bonds zu ersetzen. Die Währungshüter wollen diese Reinvestitionen so lange fortsetzen wie nötig, um reichliche Liquidität zu gewährleisten und “einen angemessenen geldpolitischen Kurs” aufrechtzuerhalten. Die EZB könne ihre Sprache zur Ersetzung abgelaufener Anleihen bereits auf ihrer Sitzung im Oktober anpassen, sagten die Insider nun. Möglicherweise im Dezember, aber wahrscheinlicher noch im Februar könne dann ein detaillierter Plan vorgelegt werden.
Auf einem kürzlich abgehaltenen Treffen der EZB-Währungshüter in Zypern sei in einer Präsentation ein Ende der vollständigen Reinvestitionen im zweiten Quartal 2023 angeführt worden. Einige Währungshüter hätten frühere Zeitpunkte genannt, andere hätten sich für Juni ausgesprochen. Ein Abbau der Bestände würde dadurch erfolgen, dass die Gelder aus ausgelaufenen Anleihen dann nicht mehr vollständig reinvestiert werden. Die EZB würde dabei sehr flexibel vorgehen. An einen direkten Verkauf der Anleihen sei nicht gedacht, sagten die mit der Situation vertrauten Personen.
Die Währungshüter hätten in ihrer Einschätzung übereingestimmt, dass die Finanzmärkte zurzeit angespannt seien. Investoren mit einem verfrühten Reinvestitionsplan zu konfrontieren, mache daher keinen Sinn, sagten die Insider. Die jüngsten Börsenturbulenzen in Großbritannien, die die Bank von England zum Eingreifen bewegt haben, hätten einige Währungshüter aufgeschreckt und die Argumente für ein vorsichtiges Vorgehen gestärkt. Befürworter einer straffen Geldpolitik schienen ebenfalls damit einverstanden zu sein. Denn für sie besäßen Zinserhöhungen augenblicklich Priorität. Einige Währungshüter befürchteten, dass, wenn mit dem Bilanzabbau schon bald begonnen werde, dies als Argument für eine Verlangsamung der Zinserhöhungen dienen könne, sagten die Insider.
Es sei noch nicht über den Zeitplan entschieden worden. Es könne noch Änderungen geben, hieß es. Die Diskussionen befänden sich in einem frühen Stadium. Die Präsentation sei kein geldpolitischer Vorschlag gewesen. Wie die mit der Diskussion vertrauten Personen ausführten, betrifft die Diskussion nicht das billionenschwere Pandemie-Notfallprogramm PEPP. Bei diesem Programm sollen auslaufende Anleihen bis mindestens Ende 2024 wieder ersetzt werden. Die Währungshüter haben den Insidern zufolge kein Interesse, hieran Änderungen vorzunehmen.
(Bearbeitet von Frank Siebelt; Redigiert von Birgit Mittwollen.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)
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