- von Andreas Rinke Berlin (Reuters) - Ausgerechnet am 24. Februar, dem Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine, will Chinas Präsident Xi Jinping eine "Friedensrede" zur Ukraine halten.
– von Andreas Rinke
Berlin (Reuters) – Ausgerechnet am 24. Februar, dem Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine, will Chinas Präsident Xi Jinping eine “Friedensrede” zur Ukraine halten.
Das hat zumindest der italienische Außenminister Antonio Tajani nach einem Gespräch mit dem chinesischen Top-Diplomaten Wang Yi angekündigt. Damit wird es am Jahrestag der Invasion zu einem öffentlichen Ringen um die richtige Lesart des Krieges kommen: Denn genau für diesen Tag planen westliche Staaten und die Ukraine in der UN-Vollversammlung eine Resolution, in der Russlands Angriff erneut klar verurteilt werden soll. Es geht darum, welche Erzählung über den Krieg sich weltweit durchsetzt, sagen mehrere mit den Vorbereitungen vertraute Personen zu Reuters.
Die Bundesregierung und ihre Partner werben nach Angaben von Diplomaten dabei seit Wochen hinter den Kulissen und in aller Welt dafür, dass Staaten diese Resolution unterstützen. Überall schwärmen die Botschafterinnen und Botschafter aus. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz warben Kanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock bei ihren Gesprächspartnern um Verständnis für die westliche Position. Hauptargument ist, dass der Ukraine-Krieg zwar für viele weit weg ist, es aber um den Bruch eines fundamentalen Prinzips des Völkerrechts geht. Denn Russland versuche, sich mit Gewalt einen Teil eines anderen Staates einzuverleiben. “Aber es ist nicht einfach, wie im März 2022 wieder 141 Staaten zusammenzubekommen”, räumen mehrere Diplomaten übereinstimmend ein. Die hohe Zustimmung zur damaligen UN-Resolution, die Russland zum Abzug seiner Truppen aus der Ukraine aufforderte, war als wichtiges Signal gegen den Krieg gewertet worden.
Russland und dessen Partner China waren in den vergangenen Monaten nämlich nicht untätig, sondern warben für ihre Version der Dinge. Und da kommt die ungewöhnliche Ankündigung eines chinesischen Friedensplans durch den Top-Diplomaten Wang Yi auf der Münchner Sicherheitskonferenz ins Spiel. Die militärische Unterstützung der Ukraine durch die USA und die Europäer wird dabei als Eskalation des Krieges verkauft, während sich China als Friedensmacht präsentiert. Auch der Überraschungsbesuch von US-Präsident Joe Biden in Kiew am Montag, auf dem er weitere 500 Millionen Dollar Militärhilfe versprach, dient als Beleg für dieses Narrativ. Wang Yi wurde im Gegenzug in Moskau erwartet.
Was genau in dem chinesischen Vorschlag stehen und was Xi am Freitag sagen könnte, ist auch nach Gesprächen von Wang Yi mit Kanzler Olaf Scholz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron oder der italienischen Regierung nicht wirklich klarer geworden. In westlichen Regierungen wird darauf verwiesen, dass der neue chinesische Vorschlag durchaus gefährlich sein könnte. “Die Erwartung ist, dass er der Versuch einer Spaltung der Welt und Europas ist”, sagte ein Diplomat schon in München. Denn die bloße Forderung nach Frieden trifft weltweit einen Nerv. Viele Regierungen wollen vor allem ein Ende des Krieges, egal wie. Je stärker China dem Friedenengel spielt, desto geringer dürfte die Neigung vieler Staaten sein, sich der westlichen Verurteilungs-Resolution in der UN-Vollversammlung anzuschließen, in der Russland klar verurteilt wird – so die Befürchtung.
Dabei wird eingeräumt, dass China durchaus eine konstruktive Rolle zur Beendigung des Krieges spielen könnte. “Wenn in dem Vorschlag der Hinweis auf die territoriale Integrität und Souveränität enthalten wäre, wäre dies durchaus konstruktiv”, sagte ein westlicher Top-Diplomat am Rande der Sicherheitskonferenz. Befürchtet wird allerdings, dass eher ein Ende der Waffenlieferungen als Voraussetzung für Gespräche gefordert wird – oder eine Waffenruhe auf Basis der heutigen militärischen Fronten. “Beides wäre aber nur eine Belohnung der russischen Aggression und nicht akzeptabel für die angegriffene Ukraine”, heißt es dazu.
Mikko Huotari, Direktor des Mercator Instituts für China Studien, erwartet aus Peking eher vage Prinzipien als konkret umsetzbare Schritte. “An dem besonderen Verhältnis zu Russland wird das alles wenig ändern. China will selbst in die Initiativen kommen und spielt ein Doppelspiel: Russland den Rücken stärken, aber dem Westen dabei nicht den Rücken kehren”, sagte er zu Reuters.
Ein positives Element könnte immerhin sein, wenn China erneut darauf pocht, dass auf keinen Fall Atomwaffen eingesetzt werden dürften. Scholz hatte dies schon im vergangenen Jahr als klares Signal an Moskau gelobt. Auffallend war auf jeden Fall, dass Wang Yi diesen Punkt bei seiner Europareise nach Rom, Paris und München betonte. Allerdings sorgte er selbst dafür, dass sich die Zweifel über die wahren Motive Pekings am Montag wieder verstärkten: Wang Yi machte auf seinem Weg nach Moskau ausgerechnet in Budapest Station. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hat zum Ärger seiner EU-Partner eine deutlich russlandfreundlichere Position in dem Konflikt bezogen.
(Redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)
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