Berlin (Reuters) - In der Ampel-Koalition gibt es neuen Streit zwischen FDP und Grünen.
Berlin (Reuters) – In der Ampel-Koalition gibt es neuen Streit zwischen FDP und Grünen.
Nachdem das Wirtschaftsministerium für die Bundesregierung ausgeschlossen hatte, dass mit Atomstrom produzierte Wasserstoff in der EU als “erneuerbar” eingestuft wird, stellt sich die FDP nun dagegen. Finanzminister Christian Lindner und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger betonten gegenüber Reuters, dass auch sogenannter roter Wasserstoff gebraucht werde. “Wir brauchen alle Farben von Wasserstoff”, sagte Lindner. Möglicherweise muss Deutschland sich nun in der EU bei der Abstimmung in der Frage enthalten.
Hintergrund ist die derzeit in Brüssel verhandelte Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED II). Sie soll einen Schub für den Ausbau Erneuerbarer Energien bringen. Die EU-Länder, die wie Frankreich auch künftig auf Atomstrom setzen, wollen dabei eine Einstufung des Atomstrom-Wasserstoffs als “erneuerbar” erreichen. Die Bundesregierung und die Mehrheit der anderen 27 EU-Staaten fürchten aber, dass dadurch der Ausbau der Wind- und Solarenergie gebremst wird. “Das lehnen wir als Bundesregierung klar ab”, hatte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums deshalb schon am 9. Februar zu Reuters gesagt. In Paris war von einem Streit zwischen beiden Hauptstädten die Rede.
Mit Erneuerbaren Energien erzeugter Wasserstoff wird als “grüner Wasserstoff” bezeichnet. Wird er mit Gas produziert, heißt er “blauer Wasserstoff”, bei Atomstrom “roter Wasserstoff”. Wasserstoff gilt als entscheidendes Puzzleteil, um Industrieprozesse etwa in der Stahlbranche künftig klimaneutral ausführen zu können. Lokale Produktions- als auch Importmöglichkeiten sind daher wichtig, um eine Wasserstoffinfrastruktur aufzubauen.
Nun stellt sich die FDP im Prinzip an die Seite von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. “Im Wettbewerb mit den USA und China müssen wir jetzt alles tun, um den Hochlauf der europäischen Wasserstoffwirtschaft zu beschleunigen”, sagte Stark-Watzinger zu Reuters. “Ein Streit mit Frankreich über Wasserstoff ist dabei wenig hilfreich. Vielmehr müssen wir beim Wasserstoff farboffen sein, um Tempo aufzunehmen.” Das gelte auch für die Nationale Wasserstoffstrategie. “Diese dürfen wir nicht auf zwei Farben verengt fortschreiben.” Es gehe nicht um Farben, sondern darum, wieviel CO2 die Erzeugung verursache.
Auch FDP-Chef Lindner deutete an, dass sich die Bundesregierung doch nicht gegen Frankreich stellen werde: “Für mich ist kaum vorstellbar, dass sich Deutschland in Europa dagegen positionieren würde.” FDP und Grüne waren schon 2022 bei der Frage nach einer Verlängerung der Laufzeiten der letzten deutschen Atomkraftwerke aneinandergeraten. Am Ende gab es ein Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und eine bis Mitte April 2023 verlängerte Laufzeit der drei Meiler.
Beim Thema Wasserstoff vermischen sich in der EU mehrere Debatten. Denn die Bundesregierung hatte zuvor die französische Forderung akzeptiert, dass eingesetzter Atomstrom bei den CO2-Minderungszielen angerechnet wird. “Wir werden außerdem sicherstellen, dass sowohl erneuerbarer als auch kohlenstoffarmer Wasserstoff bei den europäischen Dekarbonisierungszielen berücksichtigt werden kann”, heißt es in der in Paris am 22. Januar verabschiedeten deutsch-französischen Erklärung.
Zudem gibt es Streit um die geplante milliardenschwere Wasserstoff-Pipeline, die von der iberischen Halbinsel über Frankreich nach Mitteleuropa führen soll und vor allem von Spanien und Deutschland unterstützt wird. Frankreich droht nun, dieses Projekt zu verzögern. Allerdings verwiesen EU-Diplomaten darauf, dass Frankreich durchaus auch mit Atomstrom produzierten Wasserstoff in diese Pipeline einspeisen könnte. Wie beim Atomstrom sei in einem gemeinsamen europäischen Leitungsnetz nicht mehr zu unterscheiden, wie Wasserstoff oder Strom produziert worden seien.
(Bericht von Andreas Rinke, Christian Krämer und Maria Martinez; redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)
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