Frankfurt (Reuters) - Nach den jüngsten Kursrekorden halten sich europäische Anleger mit weiteren Käufen vorerst zurück.
Der Dax und der breit gefasste Stoxx600 notierten am Mittwochabend jeweils 0,2 Prozent im Plus bei 15.602,71 beziehungsweise 451,10 Punkten. Damit blieben beide in Tuchfühlung mit ihren Bestmarken vom Dienstag. Der EuroStoxx50 rückte 0,3 Prozent auf 4085,29 Zähler vor. Der US-Standardwerteindex Dow Jones legte ähnlich stark zu.
Die Inflationssorgen ließen Investoren nicht los und dämpften ihre Kauflaune, sagte Analyst Christian Henke vom Brokerhaus IG. Dennoch sei bislang keine Bereitschaft für größere Verkäufe zu erkennen. “Für den Moment scheint der Markt die Einschätzung der Notenbanken zu teilen, dass der Inflationsdruck lediglich ein temporärer sein wird”, sagte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets.
Vor diesem Hintergrund warteten Börsianer gespannt auf die Veröffentlichung des “Beige Book” am Abend (MESZ). Vom Konjunkturausblick der US-Notenbank Fed versprachen sie sich weitere Hinweise auf die Geldpolitik in den Vereinigten Staaten. Hinweise auf eine nahende Drosselung der Anleihekäufe erwarteten sie offenbar nicht. Die anhaltende Nachfrage nach Staatsanleihen drückte die Rendite der richtungweisenden zehnjährigen US-Bonds auf plus 1,593 Prozent und diejenigen ihrer deutschen Pendants auf minus 0,196 Prozent.
LIRA ERNEUT AUF REKORDTIEF – ERDOGAN FORDERT ZINSSENKUNG
Am Devisenmarkt schickte die erneute Forderung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nach einer Zinssenkung die Währung des Landes auf Talfahrt. Im Gegenzug stiegen Dollar und Euro auf Rekordhochs von 8,7775 beziehungsweise 10,5949 Lira. “wir sind ein bisschen überrascht, wie offen und deutlich Erdogan seinem Zentralbankchef die Pistole auf die Brust setzt”, sagte Commerzbank-Analystin Esther Reichelt. “Das bestätigt uns in unserem Glauben, dass Erdogan tatsächlich glaubt, mit niedrigeren Zinsen die wirtschaftlichen Probleme der Türkei lösen zu können – auch wenn er damit sehenden Auges in eine neue Lira-Krise läuft.”
Der Ölpreis zog dagegen weiter an. Die Sorte Brent aus der Nordsee verteuerte sich um ein Prozent auf 70,94 Dollar je Barrel (159 Liter). In ihrem Windschatten rückte der Index für die europäische Öl- und Gasbranche 0,8 Prozent vor. “Der Markt ist optimistisch, dass der zunehmende Sommer-Reiseverkehr und die Normalisierung der Volkswirtschaften selbst bei einer Rückkehr iranischen Rohöls auf den Weltmarkt die Produktionsausweitungen der Opec+ leicht absorbieren können”, sagte Analyst Stephen Brennock vom Brokerhaus PVM Oil Associates.
ENTTÄUSCHTE ÜBERNAHMEFANTASIEN DRÜCKEN PROSIEBEN
Am deutschen Aktienmarkt geriet ProSiebenSat.1 unter Verkaufsdruck, nachdem sich Rainer Beaujean auf der Hauptversammlung der TV-Senderkette skeptisch zu möglichen Fusionen geäußert hatte. ProSieben-Titel verloren 4,2 Prozent. Nach Abzug des Dividendenabschlags lag das Minus noch bei 1,6 Prozent. Die Papiere des italienischen Großaktionärs Mediaset, der für eine engere Zusammenarbeit der beiden Medienhäuser plädiert, fielen in Mailand um 0,7 Prozent.
Die Aktien von Morphosys verbuchten mit einem Minus von 13 Prozent den größten Tagesverlust seit fünf Jahren. Die Biotechfirma übernimmt den US-Krebsspezialisten Constellation für 34 Dollar je Aktie oder insgesamt 1,7 Milliarden Dollar. “Der Aufschlag ist sehr hoch”, sagte ein Börsianer. Kritisch sehe er außerdem die Abtretung von Lizenzeinnahmen an Royalty Pharma durch Morphosys zur Finanzierung der Übernahme. “Der Deal scheint für Royalty vorteilhafter zu sein als für Morphosys.” Constellation-Titel legten an der Wall Street 67 Prozent auf 33,73 Dollar zu.
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