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EU und Großbritannien einigen sich im Brexit-Nordirland-Streit

Von:
Reuters
Veröffentlicht: Feb 28, 2023, 06:21 GMT+00:00

London (Reuters) - Die Europäische Union (EU) und Großbritannien haben sich im jahrelangen Brexit-Streit über den Umgang mit Nordirland geeinigt.

ARCHIV: Der britische Premierminister Rishi Sunak und die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen geben eine Pressekonferenz im Windsor Guildhal

London (Reuters) – Die Europäische Union (EU) und Großbritannien haben sich im jahrelangen Brexit-Streit über den Umgang mit Nordirland geeinigt.

Der britische Premierminister Rishi Sunak teilte am Montag auf einer Pressekonferenz mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Windsor mit, dass das ursprüngliche Nordirland-Protokoll modifiziert werde, das den Umgang mit der britischen Provinz vor allem in Zoll- und Grenzfragen nach dem Brexit regelt. Die Vereinbarung sei der Beginn eines neuen Kapitels in den beiderseitigen Beziehungen. Man habe einen Weg gefunden, die Unsicherheit für Nordirland zu beenden. Die Einigung auf das sogenannte “Rahmenabkommen von Windsor” werde einen reibungslosen, freifließenden Handel ohne Grenze in der Irischen See ermöglichen. Von der Leyen gab sich ebenfalls zuversichtlich, dass die Einigung funktionieren werde, da strenge Sicherheitsmaßnahmen ausgehandelt worden seien. Die deutsche Wirtschaft reagierte erleichtert.

Im Zentrum des langwierigen Streits stand das sogenannte Nordirland-Protokoll. Dabei handelt es sich um einen Zusatz zum eigentlichen Brexit-Vertrag von 2020. Das Protokoll regelt den Warenverkehr zwischen der britischen Provinz Nordirland und dem EU-Mitglied Irland. Hintergrund ist, auf der irischen Insel keine harte Grenze entstehen zu lassen mit entsprechenden Kontrollen zwischen den beiden eng miteinander verwobenen Nachbarn – da andernfalls ein Wiederaufflammen des jahrzehntelangen Nordirland-Konflikt befürchtet wird. Es gab die Sorge, dass zwischen pro-britischen Unionisten, die in der Mehrheit protestantisch sind, und Befürwortern einer Wiedervereinigung Nordirlands mit der Republik Irland, die überwiegend zum katholischen Lager zählen, neue Gewalt ausbrechen könnte.

Die eigentliche Zollgrenze wurde deshalb in die Irische See verlegt. Nordirland blieb so Teil des EU-Binnenmarkts, musste deshalb aber auch einige EU-Regeln einhalten, obwohl es mit Inkrafttreten des Brexits nicht mehr zur EU gehörte. Die Kontrollen auf See ließen zudem Probleme im innerbritischen Handel entstehen. Das schürte in London und vor allem bei nordirischen Protestanten die Befürchtung, dass die britische Provinz faktisch vom Rest des Vereinigten Königreichs abgetrennt werden könnten. Die Regierung in London wollte den Vertrag deshalb nachverhandeln.

DUP WILL TEXTE PRÜFEN – SUNAK WILL PARLAMENT INFORMIEREN

Das nordirische Parlament soll nach Worten Sunaks in dem neuen Abkommen mit der so genannten “Stormont-Bremse” (benannt nach dem Parlament in Belfast) Änderungen bei Regeln zu EU-Gütern stoppen können. Bei Anwendung der Bremse habe die britische Regierung jedoch ein Vetorecht. Von der Leyen sagte, sie hoffe, dass beide Seiten bei der Einführung von neuen Gesetzen und regulatorischen Änderungen das Gespräch suchten. Bei Differenzen müsse der Europäische Gerichtshof eine endgültige Entscheidung treffen.

In dem neuen Rahmenabkommen wurde auch vereinbart, dass der bürokratische Aufwand für Unternehmen verringert werden soll. Demnach werden Waren, die nur nach Nordirland geliefert werden, und Güter, die weiter in die EU befördert werden, künftig in “grüne” und “rote” Spuren getrennt. Außerdem soll die britische Regierung die Mehrwertsteuer in Nordirland in Zukunft in den meisten Fällen frei bestimmen können. Dasselbe gilt für Steuererleichterungen, die die britische Regierung Firmen gewährt. Die Unternehmen in Nordirland hielten sich bisher an die EU-Vorschriften. Von der Leyen stellte zudem eine Beteiligung der britischen Universitäten am milliardenschweren Forschungsprogramm “Horizon” in Aussicht. Sie versprach, dass sich die EU “unverzüglich” darum bemühe, die Kooperation mit Großbritannien bei dem Programm wiederaufzunehmen.

Noch am Montag wollte Sunak auch das Parlament informieren. Die pro-britische Partei DUP in Nordirland, die bis zuletzt skeptisch mit Blick auf das Protokoll blieb, teilte mit, sie wolle die Details der Einigung nun unter die Lupe nehmen. Sunak will die Partei hinter sich bringen. Sie blockiert aus Protest gegen das Protokoll seit Monaten eine Regierungsbildung in dem britischen Landesteil.

Großbritannien ist nach einer Volksabstimmung seit rund drei Jahren nicht mehr EU-Mitglied. Der Streit hatte die Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU deutlich belastet.

Deutsche wirtschaft zeigt sich erleichtert

In der exportorientierten deutschen Wirtschaft sorgte die sich abzeichnende Einigung für Erleichterung. Dies sei dringend nötig, um den Negativtrend im Großbritannien-Geschäft zu stoppen, sagte der Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Volker Treier. “Der EU-Austritt Großbritanniens hat die engen Handelsbeziehungen in den letzten Jahren deutlich erschwert – und weiterhin herrscht erhebliche Planungs- und Rechtsunsicherheit für deutsche Unternehmen.” Während Großbritannien 2016 noch drittwichtigster Exportmarkt Deutschlands gewesen sei, habe das Land 2022 nur noch auf dem achten Rang gelegen. Gefährlich seien britische Pläne zum Abweichen von EU-Regeln etwa im Datenschutz, bei Lebensmitteln oder in der Chemie.

(Bericht von Alistair Smout und Sachin Ravikumar, geschrieben von Birgit Mittwollen, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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