Berlin (Reuters) - Der erwartete Rückgang der Inflation in Deutschland ist im Februar womöglich ausgeblieben.
Berlin (Reuters) – Der Rückgang der Inflation in Deutschland ist im Februar wegen stark steigender Lebensmittelpreise überraschend ausgeblieben.
Waren und Dienstleistungen verteuerten sich wie schon im Januar um durchschnittlich 8,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch nach seiner ersten Schätzung mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten dagegen mit einem Rückgang auf 8,5 Prozent gerechnet. Von Januar auf Februar zogen die Preise um 0,8 Prozent an.
Nahrungsmittel lösten Energie als Preistreiber Nummer eins ab: Sie verteuerten sich mit 21,8 Prozent stärker als im Januar mit 20,2 Prozent. Energie kostete diesmal 19,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, womit sich der Preisdruck hier abschwächte: Im Januar hatte es noch ein Plus von 23,1 Prozent gegeben. Dienstleistungen kosteten im Schnitt 4,7 Prozent mehr als im Februar 2022.
“Der anhaltend hohe Inflationsdruck bei Lebensmitteln und Dienstleistungen dürfte vor allem auf indirekte Effekte durch die teure Energie zurückzuführen sein”, sagte der wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien. “Wenn dadurch etwa die Preise in der Gastronomie erhöht werden, weil Kosten für Heizung oder Kochenergie gestiegen sind oder wenn Bäckereien ihre Preise erhöhen, weil das Erdgas für das Backen teurer geworden ist.”
LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch sprach von einer “unangenehmen Überraschung” und fügte hinzu: “Der Energiepreisanstieg hat nur wenig an Dynamik eingebüßt, Nahrungsmittel werden immer teuer.” Die Preisanstiege für Dienstleistungen dürften teils schon auf steigenden Lohndruck zurückzuführen sein. Spätestens im kommenden Monat rechnen Experten nun mit einer Wende zum Besseren. “Da ab März der explosionsartige Anstieg der Energie- und Nahrungsmittelpreise nach Kriegsbeginn im späten Februar 2022 aus dem Vorjahresvergleich herausfällt, dürfte die Inflationsrate insgesamt ab März spürbar zurückgehen”, sagte der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding, mit Verweis auf die russische Invasion in der Ukraine.
Zwar stiegen in etlichen Bundesländern die Kosten für Kraftstoffe und leichtes Heizöl im Februar nicht mehr ganz so stark. “Diese erfreulichen Nachrichten werden aber mehr als ausgeglichen durch höhere Preise in anderen Bereichen”, sagte Schmieding. So dürfte die zunehmende Reiselust der Bürger dazu beigetragen haben, dass Pauschalreisen im Februar etwa in Nordrhein-Westfalen 8,1 Prozent mehr kosten als im Vorjahr nach einer Rate von 6,2 Prozent im Januar.
Für ein Abflauen der Inflation spricht eine Umfrage des Münchner Ifo-Instituts. Demnach wollen deutlich weniger deutsche Unternehmen in den kommenden drei Monaten ihre Preise erhöhen. Das Barometer für die Preiserwartungen in der Gesamtwirtschaft sank im Februar auf 29,1 Punkte, nach 35,2 Zählern im Januar. Das war bereits der fünfte Rückgang in Folge. “Die Unternehmen haben einen Großteil der gestiegenen Kosten bereits an ihre Kunden weitergegeben, gleichzeitig lässt die Nachfrage in nahezu allen Wirtschaftsbereichen nach”, sagte Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser: “Damit dürfte der Inflationsdruck in den kommenden Monaten abnehmen.”
Bundesbank-Präsident Joachim Nagel rechnet im Kampf gegen die hohe Inflation mit weiteren Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB). Er sei fest davon überzeugt, dass die Währungshüter noch eine ganze Wegstrecke zu gehen haben, sagte Nagel in Frankfurt. “Wir müssen weiter robust und hartnäckig gegen die Inflation vorgehen.” Diese sei eine hartnäckige Veranstaltung. Daher müsse die Geldpolitik noch ein Stück weit hartnäckiger sein. Die nächste Zinssitzung ist am 16. März. EZB-Chefin Christine Lagarde hatte bereits eine weitere kräftige Zinsanhebung um 0,50 Prozentpunkte in Aussicht gestellt. Nagel zufolge könnten auch danach noch mehr deutliche Zinsschritte erforderlich sein.
(Bericht von Rene Wagner, Reinhard Becker und Frank Siebelt. Redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)
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