Frankfurt (Reuters) - Wegen der drohenden Energiekrise wird der Dax nach Berechnungen von Banken und Brokerhäusern am Montag niedriger starten.
Frankfurt (Reuters) – Die Furcht vor einer Rezession in Europa durch ausbleibende russische Gaslieferungen löst hektische Verkäufe an den heimischen Aktienmärkten aus.
“Die Angst vor einer Lehman-artigen Krise im europäischen Energiesektor wächst”, sagte Analyst Jochen Stanzl vom Online-Broker CMC Markets.
Der Dax fiel am Montag um mehr als drei Prozent auf 12.642 Punkte und steuerte auf den größten Tagesverlust seit Anfang März zu. Damals hatten erste Kämpfe um das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja Anleger in Angst und Schrecken versetzt. Der EuroStoxx50 rutschte am Montag um 2,6 Prozent auf 3451 Zähler ab. Parallel dazu gab der Euro um bis zu 0,8 Prozent auf ein 20-Jahres-Tief von 0,9875 Dollar nach. Gleichzeitig rissen sich Anleger um verfügbares Erdgas. Dadurch stieg der europäische Future in der Spitze um 34 Prozent auf 280 Euro je Megawattstunde und steuerte wieder auf sein jüngstes Rekordhoch zu.
Gazprom hatte Anfang des Monats mitgeteilt, bis auf weiteres kein Gas über die Ostseepipeline Nord Stream 1 nach Deutschland und in andere europäische Staaten zu liefern. Als Grund führte der staatliche russische Energieriese an, dass bei Wartungsarbeiten ein Öl-Leck entdeckt worden sei. Die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde und Siemens Energy als Lieferant von Pipeline-Technik widersprachen dieser Darstellung. Eine rasche Lösung der Energiekrise sei nicht in Sicht, warnte Naeem Aslam, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses AvaTrade. Daher drohe Europa ein wirtschaftliches Desaster.
Gleichzeitig rätselten Börsianer, ob und wie die aktuelle Lage sich auf die Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag auswirkt. Die EZB orientiere sich inzwischen stärker an der tatsächlichen Inflation statt an den Erwartungen, sagte Anlagestratege Antoine Bouvet von der ING Bank. Gleichzeitig werteten Investoren die geplanten Entlastungspakete von Bundesregierung und anderen europäischen Staaten für Energieverbraucher als Möglichkeit für die EZB, die Zinsen weiter anheben zu können. Derzeit rechnen sie mehrheitlich mit einem Zinsschritt von 0,75 Prozentpunkten.
TURBULENZEN AM TERMINMARKT BEFÜRCHTET
CMC-Experte Stanzl wies zudem auf die Gefahr weiterer Turbulenzen bei den Erdgas-Preisen hin. Wegen der Diskussion um den Energiepreis-Deckel sei die Zahl der offenen Kontrakte – ein Indikator für das Handelsvolumen an Derivatemärkten – in den vergangenen Tagen gesunken. “Damit könnte die Fähigkeit der Energiehändler und Stromerzeuger geschmälert worden sein, sich gegen den erneuten Preisanstieg abzusichern oder aus bestehenden Positionen auszusteigen.” Sollten Anleger die durch den aktuellen Anstieg fällige nachträgliche Sicherheitsleistungen an die Börse nicht leisten können, droht die Zwangsauflösung von Geschäften. “Das könnte zu unkontrollierten und von den tatsächlichen Verhältnissen zwischen Gasangebot und -nachfrage losgelösten Preissteigerungen führen.”
Vor diesem Hintergrund fielen die Aktien des wegen ausbleibender russischer Lieferungen bereits in Schieflage geratenen Gasversorgers Uniper zeitweise um 13 Prozent auf ein Rekordtief von 4,91 Euro. Da sich das Unternehmen kurzfristig aus anderen Quellen mit Erdgas eindecken müsse, summierten sich die Verluste bei den aktuellen Preisen auf 100 Millionen Euro pro Tag, rechneten die Analysten der Bank Credit Suisse vor. Die Titel der Uniper-Mutter Fortum rutschten in Helsinki zeitweise um 6,2 Prozent ab und waren mit 9,48 Euro so billig wie zuletzt vor 18 Jahren.
Abwärts ging es auch für RWE und E.ON, deren Papiere sich um bis zu 4,3 Prozent verbilligten. Die Stromkonzerne litten unter anderem unter der geplanten Abschöpfung von Zufallsgewinnen von Energiefirmen. Die Idee sei zwar nicht neu, werde nun aber konkret, sagte ein Börsianer.
(Bericht von Hakan Ersen, redigiert von Elke Ahlswede. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)
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