- von Andreas Rinke Berlin (Reuters) - Der potenzielle Schatz Deutschlands liegt in 4000 bis 5000 Metern Tiefe im Pazifik.
– von Andreas Rinke
Berlin (Reuters) – Der potenzielle Schatz Deutschlands liegt in 4000 bis 5000 Metern Tiefe im Pazifik.
Dort befinden sich zwischen Hawaii und Mexiko in einem deutschen Lizenzgebiet nach Angaben der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in großer Menge sogenannte Manganknollen, die Kupfer, Kobalt, Nickel, Mangan und teilweise weitere Metalle enthalten. “Das macht sie attraktiv – und das könnte sie wettbewerbsfähig machen, trotz der hohen Energiekosten, um sie aus 4000 oder 5000 Meter Tiefe zu holen”, sagt BGR-Expertin Annemiek Vink der Nachrichtenagentur Reuters.
Im weltweiten Rennen um Rohstoffe wirkt das in der Öffentlichkeit kaum bekannte, riesige Explorationsgebiet Deutschlands wie eine Lösung vieler Probleme. So ist Kobalt heiß begehrt für Hightech-Produkte. Und es gibt bereits erprobte Technologien wie hydraulische Kollektoren, um die Knollen am Meeresboden einzusammeln. Länder wie die Pazifik-Insel Nauru drängeln, bereits im Juli den Startschuss für den ersten Mangan-Knollen-Abbau in internationalen Gewässern im Pazifik zu geben. Doch Bundesregierung und Experten sind zurückhaltend.
STAATSSEKRETÄRIN: “WIR MÜSSEN DEN MEERESBODEN SCHÜTZEN”
“Wir plädieren dafür, den Start für den Abbau in der Tiefsee noch zu verschieben. Wir müssen den Meeresboden schützen und Klarheit über mögliche Konsequenzen für das Klima bekommen”, sagt etwa die parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium, Franziska Brantner (Grüne), zu Reuters. “Entscheidend ist die Frage der Umweltauswirkungen. Es braucht weitere Technologieentwicklungen, auch andere Systeme als nur die hydraulische Knollenaufnahme”, betont auch BGR-Expertin Vink. Denn bei Tests mit diesen Kollektoren habe sich gezeigt, dass diese die oberen vier bis acht Zentimeter des Meeresbodens mit den Knollen einsaugen. Sie wirbeln den Meeresboden erheblich auf, auf dem sich über Jahrmillionen Kleinstpartikel abgelagert haben – mit unbekannten Folgen. Tests mit verbesserten Kollektoren sollen 2025 stattfinden. Und Vink hält es für unmöglich, dass die Internationale Meeresbodenbehörde bis Juli ein Regelwerk von 200 bis 300 Seiten vorlegen kann, wie der Abbau ermöglicht und gleichzeitig die Meeresgebiete geschützt werden können.
Brantner verweist auf mögliche CO2-Senken, also die Gefahr, dass im Meer gebundenes Kohlendioxid durch ein Aufwühlen des Meeresbodens in die Atmosphäre entweichen könnte. “Viele Lebenswesen in der Tiefe kennen wir gar nicht, wir stehen ganz am Anfang der Forschung”, betont sie. Der Abbau an Land greife auch in die Natur ein, eine Renaturierung sei aber viel einfacher. Man stehe mit dem Wunsch einer Verschiebung des Startschusses nicht allein. “Frankreich, Costa Rica, Brasilien, Spanien, Finnland, Neuseeland und viele pazifische Inselstaaten gehören zum Beispiel zu der Allianz, die auch eine weitere Pause des Abbaus haben wollen.” Eigentlich sei es nur das mit Nauru zusammenarbeitende kanadische Unternehmen TMC, das Druck mache.
Doch der Druck zum Abbau der Tiefsee-Ressourcen kommt aus vielen Richtungen. Zum einen ist der Rohstoffhunger der Industriestaaten riesig. Japan etwa hat bereits begonnen, in seiner eigenen Wirtschaftszone Sulfide in der Tiefsee abzubauen. Zum anderen erwartete die Internationale Meeresbodenbehörde in Jamaika, die die Lizenzen vergibt, dass Staaten ihre Gebiete mit dem ausdrücklichen Ziel des späteren Bergbaus erforschen – auch wenn Brantner dieser Auslegung der Regeln widerspricht und darauf verweist, dass die Behörde auch für Umweltschutz zuständig sei.
Auch afrikanische Staaten drängen auf den Start. Wie hoch die Einnahmen aus der Abbau-Lizenz sein und wie sie verteilt werden, ist noch nicht klar. “Aber die Schwellenländer sollen profitieren. Afrikanische Länder wollen den Abbau, pochen aber auf höhere Einnahmen”, sagt BGR-Expertin Vink.
BDI: “CHANCEN ÜBERSTEIGEN DIE RISIKEN”
Die deutsche Industrie drängt ebenfalls. “Der BDI ist grundsätzlich aufgeschlossen für den Tiefseebergbau, die Chancen übersteigen die Risiken”, betont Matthias Wachter, Rohstoff-Experte des BDI, gegenüber Reuters. “Wir sollten das Thema nicht weiter auf die lange Bank schieben”, sagt er. “Ab 2026 sollte auch Deutschland die Voraussetzung dafür schaffen, dass die Förderung in seinem Gebiet beginnen kann.” Er forderte ein Signal der Bundesregierung, dass etwa der Abbau von Mangan-Knollen in dem 75.000 Quadratkilometer großen Gebiet gewünscht ist, für das Deutschland 2006 eine Explorations-Lizenz erworben hatte. Wenn die Bundesregierung so sehr für die neue Rohstoff-Strategie Japan als Vorbild sehe, müsse sie dabei auch alle Aspekte beachten. “Zum japanischen Modell gehört eben auch, den Tiefseebergbau aktiv zu fördern und zu unterstützen.”
Ein Problem sei, dass es in Deutschland kein großes Bergbau-Unternehmen mehr gibt, das federführend vorangehen kann. Immerhin bündeln mittlerweile viele Mittelständler ihre Interessen. “Ziel der 2014 gegründeten Deepsea Mining Alliance (DSMA) ist es, auch den Abbau von Rohstoffen am Meeresboden zu fördern”, sagt Geschäftsführer Johannes Post zu Reuters. Die DSMA-Mitglieder besäßen gemeinsam das nötige Knowhow sowohl für den Abbau als auch für das erforderliche Umwelt-Monitoring während des Abbaus. “Deutschland sollte nicht nur viele Millionen an Steuergeld für die sicher wichtige Umweltforschung ausgeben, sondern auch den Abbau etwa von Manganknollen vorbereiten”, fordert er. “Auf keinen Fall sollte Deutschland die deutsche Lizenz im Pazifik verkaufen oder verschenken.”
Die Aufgabe, irgendwann einmal Manganknollen aus dem Pazifik für die deutsche Industrie zu nutzen, ist allerdings komplex. Es sei nicht damit getan, die Knollen aus der Tiefsee an die Meeresoberfläche zu bringen, betont BGR-Expertin Vink. “Es muss auch Aufbereitungsanlagen geben.” Für die Trennung der Metalle gebe es noch gar keine Anlagen an Land.
(redigiert von Hans Seidenstücker. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)
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