New York (Reuters) - Die mit einer tiefen Vertrauenskrise kämpfende Credit Suisse greift nach der Rettungsleine der Schweizerischen Nationalbank (SNB).
– von John Revill und Oliver Hirt
Zürich (Reuters) – Die Credit Suisse ergreift bereitwillig den angebotenen Rettungsring der Schweizer Notenbank und beruhigt damit vorerst die in Panik geratenen Finanzmärkte.
Mitten in der Nacht teilte die zweitgrößte Bank des Landes mit, sie wolle sich bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) bis zu 50 Milliarden Franken leihen. Diese hatte Credit Suisse unter Verweis auf deren Bedeutung für das Finanzsystem “im Bedarfsfall Liquidität” offeriert. Die am Mittwoch um 24 Prozent eingebrochenen Aktien der Bank erholten sich am Donnerstag deutlich.
Konzernchef Ulrich Körner versuchte die Belegschaft und die Kunden zu beschwichtigen: “Diese Maßnahmen stärken unsere Bilanz und unsere Kapitalposition weiter”, hieß es in einer internen Mitteilung, die der Nachrichtenagentur Reuters vorlag. Nun gehe es darum, den Umbau zu einer einfacheren und fokussierteren Bank schleunigst umzusetzen. Medienberichten zufolge will sich die Schweizer Bundesregierung in einer Sondersitzung am Donnerstag mit der Lage der Bank beschäftigen.
Vontobel-Analyst Andreas Venditti erklärte, er hoffe, dass das Einschreiten der SNB die Negativspirale durchbreche: “Dies ist ein starkes und wichtiges Signal. Es wird jedoch einige Zeit dauern, bis das Vertrauen in die Marke wieder vollständig hergestellt ist.” Der Umbau sei “eine Herkulesaufgabe, die entsprechend Zeit brauchen wird”, sagte Daniel Bosshard von der Luzerner Kantonalbank. Fundamental sei die CS eine intakte Bank, die den Anforderungen an Kapital und Liquidität genüge.
Nach dem Kurskollaps der vergangenen Tage zogen die Aktien der Credit Suisse (CS) um bis zu ein Drittel auf 2,25 Franken an, so stark wie noch nie. Parallel dazu stieg der europäische Banken-Index, der am Mittwoch um sieben Prozent eingebrochen war, um 2,3 Prozent. Doch die Zuversicht hielt nicht lange an. Denn längst nicht alle Marktteilnehmer glauben daran, dass sich die CS aus eigener Kraft berappeln kann. Die Bank kaufe sich damit Zeit, schrieben die Analysten von JPMorgan. Doch die Marke werde immer weiter beschädigt, das Vertrauen des Marktes in die Bank fehle. “Unseres Erachtens ist der Status Quo keine Option mehr”, zog JPMorgan-Analyst Kian Abouhossein sein Fazit. Eine Übernahme etwa durch die größere UBS sei “das wahrscheinlichere Szenario”.
Die Credit Suisse steckt nach zahlreichen Skandalen mitten in einem tiefgreifenden Konzernumbau, der Milliarden kostet und den Abbau von 9000 Stellen umfasst. Am Ende soll daraus eine Bank entstehen, die vor allem auf das Geschäft mit Millionären und Milliardären setzt und nicht mehr auf das Investmentbanking. Doch gerade im Geschäft mit reichen Privatkunden ist Vertrauen eine entscheidende Voraussetzung. Dieses wurde zuletzt jedoch immer wieder erschüttert. Zum Jahresende hatten Kunden Milliarden aus der Bank abgezogen. “In Zeiten wie diesen ist es wichtig, sich auf Fakten zu fokussieren und die Stärken der Bank zu stärken”, schrieb Körner an die Belegschaft.
Suvi Platerink Kosonen von der niederländischen Bank ING beschrieb das Dilemma, in das die SNB-Intervention die CS gebracht hat: “Es ist zwar beruhigend, dass die Bank Zugang zu Liquidität hat, die sie möglicherweise benötigt – aber es ist auch ziemlich beunruhigend, dass sie diese benötigt.” Wie die CS-Kunden darauf reagierten, sei fraglich, schrieb Christian Schmidiger von der Zürcher Kantonalbank.
“DIE SCHWÄCHSTE UNTER DEN GROSSBANKEN”
Es ist das erste Mal seit der Finanzkrise 2007/08, dass eine Notenbank sich zu einer Stützungsaktion für eine so große Bank gezwungen sieht. Die 167-jährige CS sei “die schwächste unter den Großbanken der Welt”, sagte Bankprofessor Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim. Im aktuellen Zinsumfeld stehe alles auf dem Prüfstand. Kreditausfallversicherungen für Credit-Suisse-Anleihen sackten am Donnerstag deutlich ab, waren aber noch deutlich teurer als die vergleichbarer Banken.
Unmittelbar ausgelöst worden war der Kursverfall vom Kollaps der kalifornischen Silicon Valley Bank (SVB). Schnell fokussierten sich die Finanzmärkte auf die geschwächte Credit Suisse als möglicherweise nächsten Problemfall der Branche. Sie habe in fünf von neun Jahren seit 2013 rote Zahlen geschrieben, sagte Luis Arenzana, Gründer von Shelter Island Capital Management, zu Reuters. Hinzu kam die Ankündigung des neuen Großaktionärs Saudi National Bank, kein frisches Geld einschießen zu können. Das Institut könne aus aufsichtsrechtlichen Gründen nicht mehr als zehn Prozent an der CS halten, hatte Präsident Ammar Al Khudairy am Mittwoch gesagt.
In Asien versuchten CS-Banker am Donnerstag, die Kunden zu beruhigen. “Wir sagen ihnen, sie sollen die Stellungnahmen lesen und darauf schauen, dass wir eigene Anleihen für drei Milliarden Franken zurückkaufen, weil sie so billig sind”, sagte ein Banker in Hongkong, der nicht genannt werden wollte.
Der Chemiekonzern BASF erklärte, dass er keine Folgen der Krise für sein Geschäft sehe: “Das Exposure der BASF-Gruppe gegenüber Credit Suisse ist gering.” Man mache Geschäft nur mit Banken mit einem guten Kreditrating. Der Versicherer Allianz, deren US-Vermögensverwalter Pimco Anleihen im Portfolio hat, erklärte, Regulierer, Notenbanken und Regierungen könnten heute besser mit Liquiditätskrisen umgehen als 2007/08, als es die meisten Instrumente dafür noch nicht gegeben habe.
Außerhalb der Schweiz versuchten Banker und Politiker die Sorgen vor einem Überschwappen der Krise auszuräumen: “Das deutsche Kreditwesen – private Banken, Sparkassen, genossenschaftliche Institute – ist stabil. Und dafür sorgen wir auch weiter”, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in der ARD. Der Chef des japanischen Bankenverbandes sagte, die Banken des Landes seien gut mit Kapital ausgestattet. Es gebe keine Anzeichen, dass sie von der Vertrauenskrise angesteckt würden.
(Bericht von Oliver Hirt, Paul Arnold, John Revill, Amanda Cooper, Saeed Azhar, Christian Krämer und Scott Murdoch; Geschrieben von Alexander Hübner; Redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)
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