(Reuters) - Durch die Börsenturbulenzen im Bankensektor sind Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps, CDS) wieder in aller Munde.
(Reuters) – Durch die Börsenturbulenzen im Bankensektor sind Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps, CDS) wieder in aller Munde.
Nach dem Kollaps der Silicon Valley Bank (SVB) in den USA sowie dem Notverkauf der Schweizer Großbank Credit Suisse an den heimischen Rivalen UBS zitterten Anleger vor einer neuen Finanzkrise – in der Folge kam es zu einem Ausverkauf der Aktien und einem teils rapiden Anstieg der CDS-Preise von Banken. Der oberste Bankenaufseher der EZB, Andrea Enria, forderte bereits mehr Transparenz an den zum Teil sehr illiquiden CDS-Märkten.
Vergangene Woche waren Deutsche Bank ins Kreuzfeuer geraten: Für Credit Default Swaps (CDS) zur Absicherung eines zehn Millionen Euro schweren Anleihepakets mussten dem Datenanbieter S&P Market Intelligence zufolge am Freitag zeitweise mehr als 220.000 Euro gezahlt werden – am Mittwoch zuvor waren es noch 142.000 Euro gewesen.
Nachfolgend einige wichtige Fragen und Antworten zu diesem Thema:
WAS SIND CREDIT DEFAULT SWAPS (CDS)?
Es handelt sich quasi um eine Versicherungspolice, mit der sich Käufer von Anleihen gegen bestimmte Risiken wappnen. Häufig kaufen Anleihe-Investoren CDS auf diejenigen Bonds, die sie halten, um sich gegen einen Zahlungsausfall abzusichern. Die CDS können dabei auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten werden. Manche Investoren spekulieren auch direkt mit CDS. Das bedeutet, sie besitzen gar keine Wertpapiere, die sie gegen einen Zahlungsausfall absichern wollen, sondern setzen auf Kursgewinne der CDS selbst.
WIE GROß UND LIQUIDE IST DER CDS-MARKT?
Nach Angaben der International Swaps and Derivatives Association ist der CDS-Markt rund 3,8 Billionen Dollar schwer. Damit liegt er deutlich unter seinen Spitzenwerten zu Zeiten der Finanzkrise 2008 mit rund 33 Billionen Dollar. Im Vergleich zu Aktien, Devisen oder den globalen Anleihemärkten, auf denen Anleihen im Wert von über 120 Billionen US-Dollar ausstehen, ist der Handel mit CDS klein. Das durchschnittliche tägliche Devisenvolumen liegt laut Daten der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich schon bei fast 8 Billionen US-Dollar.
Der Handel mit CDS-Derivaten kann dünn sein. Die Anzahl der durchschnittlichen täglichen CDS-Trades kann selbst bei großen Unternehmen manchmal im einstelligen Bereich liegen, basierend auf Daten der Depositary Trust & Clearing Corporation (DTCC). Dies macht es für Anleger schwierig, sich in diesem Markt zu bewegen und kann dazu führen, dass selbst ein kleiner CDS-Handel einen übergroßen Preiseffekt haben kann.
Im Prinzip kann jeder Finanzakteur einen CDS auflegen und verkaufen, nicht nur Versicherungen. Meist bieten große Investmentbanken ihren Kunden diese Papiere an. Dabei handelt es sich um “Over-the-Counter”-Geschäfte, die nicht über eine zentrale Clearingstelle abgewickelt werden. Der Käufer des CDS zahlt regelmäßig eine Gebühr an seine Gegenpartei, die dann das Risiko übernimmt. Im Gegenzug zahlt der Verkäufer des CDS einen bestimmten Betrag aus, wenn etwas schief geht, genau wie eine Versicherungsauszahlung. CDS werden als Credit Spread notiert, das ist die Anzahl der Basispunkte, die der Verkäufer des Derivats dem Käufer für die Bereitstellung von Schutz berechnet. Je größer das wahrgenommene Risiko eines Kreditereignisses ist, desto größer wird dieser Spread.
100 Basispunkte sind ein Prozent. Liegt der Kurs eines CDS also bei 100 Basispunkten, muss ein Prozent der versicherten Summe jährlich als Prämie gezahlt werden. Bei einem Anleihe-Paket im Volumen von zehn Millionen Euro wären das 100.000 Euro.
Ein Marktteilnehmer, üblicherweise der Käufer eines CDS, beantragt beim Credit Derivatives Determinations Committee (DC) die Prüfung, ob ein sogenanntes Kreditereignis (Credit Event) eingetreten ist. Darunter verstehen Fachleute den Zahlungsausfall eines Schuldners oder eine Umschuldung. Weltweit gibt es fünf DCs, jedes ist für eine bestimmte Region verantwortlich. In diesem Gremium sitzen bis zu 15 stimmberechtigte Mitglieder, die hauptsächlich von den großen Banken und Vermögensverwaltern entsandt werden.
Der größte CDS-Markt ist für Regierungen. Brasilien führt die Liste an, mit einem täglichen nominellen Durchschnitt von 350 Millionen Dollar Trades pro Tag, basierend auf DTCC-Daten. Die CDS der Credit Suisse wurden im letzten Quartal 2022 unter den Unternehmen am aktivsten gehandelt, mit einem täglichen Handelsvolumen von 100 Millionen US-Dollar, wie DTCC-Daten zeigen.
Es gibt fünf Grund-Szenarien, die als Kreditereignis gewertet werden: Pleite, Zahlungsausfall, Umschuldung, Zahlungsmoratorium und eine vorzeitige Fälligkeit einer Verbindlichkeit (Obligation Acceleration). Bei Letzterem ist nicht der eigentliche Bond notleidend, sondern eine andere Verbindlichkeit, wodurch die versicherte Anleihe vorzeitig fällig wird.
Stellt das DC ein Kreditereignis fest, übergibt der CDS-Käufer die versicherten Bonds dem CDS-Verkäufer und erhält von diesem den Nominalwert der Anleihen ausgezahlt. Ist der CDS-Käufer nicht im Besitz der versicherten Papiere, weil er nur mit dem CDS selbst spekuliert hat, muss er diese auftreiben. Sollte sich dies als schwierig erweisen, können sich die Parteien auch auf eine rein finanzielle Abwicklung des Geschäfts einigen, bei der keine Anleihen den Besitzer wechseln.
CDS standen im Zentrum der Finanzkrise 2008. Die US-Investmentbanken Bear Stearns und Lehman Brothers gehörten zu den vielen Banken, die neben anderen Arten von Derivaten CDS für Anleger auf hypothekenbesicherte Wertpapiere (MBS) ausgaben – Hypotheken, die in einem Paket gebündelt sind. Als die US-Zinsen im Laufe des Jahres 2007 stark anstiegen, löste dies eine Welle von Hypothekenausfällen aus, wodurch MBS und andere gebündelte Wertpapiere in Milliardenhöhe wertlos wurden. Dies löste hohe CDS-Auszahlungen für Banken wie Lehman und Bear Stearns aus.
Seitdem hat sich jedoch viel verändert. Viele Derivate, einschließlich CDS, wurden zu dieser Zeit weitaus häufiger verwendet und deckten eine breitere Palette von Vermögenswerten ab, von denen viele in die falsche Richtung liefen. Die aktuellen Turbulenzen spiegeln keinen starken Wertverlust der Wertpapiere wider, die den CDS zugrunde liegen. Es ist eher die Wahrnehmung des Risikos als das tatsächliche Risiko.
Credit Event (Kreditereignis): Tritt bei Zahlungsunfähigkeit oder einer Umschuldung ein.
Default (Ausfall): Umschreibung für eine Pleite. Kredite können nicht mehr zurückgezahlt werden.
Haircut (Haarschnitt): Gemeint ist ein Schuldenerlass. Die Gläubiger verzichten auf Teile ihrer Forderungen.
Restructuring (Umstrukturierung): Hier ist von einer Umschuldung die Rede. Sie kann einen Schuldenerlass beinhalten. Möglich ist außerdem eine Laufzeit-Verlängerung und/oder eine Herabsetzung der Zinszahlungen (Kupon) für Anleihen.
Upfront Payment (Anzahlung): Bei Kreditnehmern, die als kurz vor der Pleite stehend gelten, verlangen CDS-Verkäufer oft eine Anzahlung, die zur sonstigen Prämie hinzukommt.
(zusammengestellt von Amanda Cooper, Karin Strohecker, Davide Barbuscia, Anika Ross, redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)
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