Frankfurt (Reuters) - Die Zinseinnahmen aus dem Firmenkundengeschäft haben den Gewinn der Commerzbank im vergangenen Jahr mehr als verdreifacht.
– von Marta Orosz und Tom Sims
Frankfurt/Berlin (Reuters) – Nach Staatseinstieg, Jobabbau und Filialschließungen will die Commerzbank die Zeiten schlechter Nachrichten hinter sich lassen.
Dank höherer Zinsen kletterten die Erträge im vergangenen Jahr um zwölf Prozent auf 9,5 Milliarden Euro, der Gewinn verdreifachte sich auf 1,4 Milliarden Euro. “Die Commerzbank ist wieder da,” sagte Vorstandschef Manfred Knof am Donnerstag bei der Jahrespressekonferenz des Instituts in Frankfurt. An der Börse schossen die im MDax gelisteten Aktien in der Spitze um zehn Prozent nach oben auf 11,36 Euro – der höchste Kurs seit knapp fünf Jahren. Nun winkt der Aufstieg in die erste Börsenliga.
Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts, sprach sich für einen baldigen Staatsausstieg aus. “Begründung für den Einstieg bei der Commerzbank war die Stützung der Bank in der Finanzkrise, mittlerweile spielt diese Begründung keine Rolle mehr”, sagte der Ökonom, der auch im Wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums sitzt, der Nachrichtenagentur Reuters. “Deshalb sollte der Staat sich zurückziehen.” Das sollte aber schrittweise und nicht überstürzt passieren.
Der Bund ist mit 15,6 Prozent größter Anteilseigner der Commerzbank. Die Beteiligung geht noch auf die Rettung in der globalen Finanzkrise 2008/09 zurück. Ein Ausstieg ist bislang nicht gelungen, auch weil sich dies für den Bund finanziell nicht gerechnet hat. “Das sind sehr erfreuliche Zahlen, die die gute Entwicklung der Bank unterstreichen”, sagte Florian Toncar, parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium, zu Reuters. “Es gibt aber keinen neuen Sachstand zum Aktienpaket des Bundes.”
Gewinntreiber waren in erster Linie die Zinserhöhungen der Notenbanken: Der Zinsüberschuss kletterte 2022 mehr als 33 Prozent auf 6,45 Milliarden Euro. Finanzchefin Bettina Orlopp erwartet im laufenden Jahr einen Anstieg des Zinsüberschusses auf deutlich mehr als 6,5 Milliarden Euro. “Wir haben die Spitze der Zinseinnahmen noch nicht erreicht.” Sie stellte im Laufe des Jahres höhere Zinsen für Kundeneinlagen in Aussicht. Bundesbank-Präsident Joachim Nagel erneuerte am Donnerstag seine Forderungen nach weiteren kräftigen Zinsschritten.
Derzeit zahlt die Commerzbank 0,25 bis 0,3 Prozent auf das Tagesgeld. Trotz der Konkurrenz von Fintechs wie Trade Republic oder Scalable Capital, die bereits 2 bis 2,3 Prozent Zinsen auf Einlagen anbieten, vermied Orlopp konkrete Zusagen für die Commerzbank-Kunden. “Wir sehen keine größere Kundenbewegungen in die Richtung von Neobroker und Neobanken,” sagte sie.
Belastungen musste die Bank im vergangenen Jahr vor allem durch die polnische Tochter mBank hinnehmen: Für die sogenannten “credit Holidays” – die gesetzlich eingeführte Möglichkeit von Zins- und Tilgungsstundungen für private Immobilienfinanzierungen – und für zusätzliche Vorsorge für Rechtsrisiken bei Schweizer-Franken-Krediten wies das Geldhaus Sonderbelastungen von über einer Milliarde Euro aus. Das gesamte Risikoergebnis belief sich auf minus 876 Millionen Euro, nach minus 570 Millionen Euro im Vorjahr.
ERSTE HÄLFTE DER UMBAUPHASE ABGESCHLOSSEN
Ihren Aktionärinnen und Aktionären will die Bank mit 20 Cent je Aktie erstmals seit vier Jahren wieder eine Dividende zahlen. Analysten hatten allerdings mit einer höheren Ausschüttung von 25 Cent je Aktie gerechnet. Auch über ein Aktienrückkaufprogramm will der Vorstand Geld an die Anteilseigner zurückgeben. Insgesamt sollen damit 30 Prozent des Gewinns ausgeschüttet werden, 2023 soll die Quote auf 50 Prozent steigen. Die Dividendenzahlung zeige, dass der Umbau und die Erhöhung der Profitabilität auf gutem Weg seien, schrieben die Analysten der Deutschen Bank.
Knof, seit 2021 Chef der Commerzbank, hatte eine tiefgreifende Transformation eingeleitet: Von rund 1000 Filialen sollen im laufenden Jahr nur 400 übrigbleiben. Von den 10.000 Stellen, die das Institut abbauen wollte, wurden nun 9000 gestrichen. “Die Einschnitte waren zugegeben schmerzhaft”, sagte Knof. Ein auf 300 Millionen Euro erhöhter Bonustopf soll die Beschäftigten bei Laune halten.
Die größten Risiken für den Aufwärtstrend könnten laut Analysten der Deutschen Bank die makroökonomischen Entwicklungen darstellen: Eine Trübung der Wirtschaft mit steigenden Kreditausfällen, Einbruch im Kreditwachstum oder fallende Zinsen könnten die Entwicklung hin zur mehr Profitabilität gefährden. Die Aufwand-Ertrags-Relation – der zentrale Indikator für die die Profitabilität des Instituts – verbesserte die Commerzbank zwar auf 68,6 Prozent deutlich gegenüber dem Vorjahr (2021: 79,3 Prozent), doch diese liegt im europäischen Vergleich weiterhin im hinteren Bereich. Zum Vergleich: Bei der spanischen Bank Santander lag die Quote bei 45,8 Prozent, bei der niederländischen ING bei 55 Prozent. Diese Banken müssen also viel weniger aufwenden, um einen bestimmten Ertrag zu erzielen. Bis zum Ende der Umbauphase 2024 will die Bank eine Aufwandsquote von 60 Prozent erreichen.
Einen weiteren Lichtblick gibt es womöglich schon am Freitagabend. Dann entscheidet die Deutsche Börse, welches Unternehmen den Gasekonzern Linde, der sich von der Frankfurter Börse zurückzieht, im Dax ersetzt. Die Commerzbank, die 2018 vom inzwischen pleite gegangenen Zahlungsabwickler Wirecard aus dem Dax gedrängt wurde, hat gute Chancen, wieder in die erste Börsenliga zu kommen – sie erfüllt nun auch das Kriterium von zwei Jahren mit operativem Gewinn in Folge. “Es ist für uns ein Ansporn, wenn die Aktie wieder in den Dax aufgenommen wird”, sagte Knof. Auch Marktstratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarketsAnalysten findet das gut: “Diese Kombination mit der Möglichkeit auf zukünftige Dividendenzahlungen ist Musik in den Ohren der Investoren, die mit Bankaktien in den vergangenen Jahren keinen Blumentopf gewinnen konnten.”
(Weitere Reporter: Rene Wagner und Christian Krämer, redigiert von Olaf Brenner. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)
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