Berlin/Frankfurt (Reuters) - Die verschärften Klimaschutz-Ziele in Europa schlagen sich zunehmend in den Preisen für die Rechte zum CO2-Ausstoß nieder.
Die von der EU ausgegebenen Zertifikate übersprangen am Dienstag erstmals die Marke von 50 Euro und stiegen zeitweise um 1,3 Prozent auf ein Rekordhoch von 50,05 Euro je Tonne ausgestoßenes CO2. Der Preis für die Rechte hat sich damit innerhalb eines Jahres etwa verdreifacht. Er spiegelt damit die Erwartung wider, dass die Gemeinschaft ihre Ziele auch umsetzen will und dazu die Ausgabe der Rechte weiter verkürzt. Diese erwartete Knappheit erzeugt Preisdruck. Den spüren vor allem Betreiber von Kohlekraftwerken, die besonders viele der Zertifikate für die Produktion benötigen.
Das CO2-Handelssystem ist das zentrale Klimaschutz-Instrument der EU. Wer in den Sektoren Energie, Industrie und Flugverkehr klimafreundlich unterwegs ist, braucht weniger Rechte und kann überschüssige an der Börse verkaufen. Im umgekehrten Fall und bei Ausweitung der Produktion muss zugekauft werden. Über die Jahre wird für den Klimaschutz die Zahl der ausgegebenen Rechte immer weiter reduziert.
PREISE STIEGEN TROTZ CORONA
Lange galt der Handel als ineffizient, die Preise dümpelten bis 2018 meist deutlich unter zehn Euro dahin. Mit einer Reform des Handelssystems sowie ehrgeizigeren Klimazielen änderte sich das jedoch: Auch in der Corona-Krise – in der wegen des Wirtschaftseinbruchs eigentlich weniger Rechte benötigt wurden – gaben die Preise nur kurz nach und stiegen besonders 2021 rasant.
“Es gibt einen ganzen Korb preistreibender Faktoren”, sagte Analystin Ingvild Sorhus vom Datenanbieter Refinitiv. Da sei neben den Klimazielen der EU nun auch das wachsende Interesse spekulativ orientierter Investoren. Außerdem bremsten die geringen europäischen Erdgas-Reserven die Umstellung von Kohle-Kraftwerken auf Gas-Verfeuerung, die weniger klimaschädliches CO2 produziert. Dem Branchendienst Gas Infrastructure Europe zufolge sind die heimischen Lagertanks derzeit nur zu 30 Prozent gefüllt. Vor einem Jahr habe die Quote noch bei 64 Prozent gelegen.
Vor zwei Wochen hatte sich die Europäische Union ehrgeizigere Klimaziele gesetzt. So soll der Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 55 statt 40 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden. Deutschland muss auch deswegen nachbessern, weil das Bundesverfassungsgericht das bisherige Klimagesetz als unzureichend gerügt hatte.
Hohe CO2-Preise setzen besonders Betreiber von Kohlekraftwerken unter Druck. In Deutschland macht sich dies auch daran bemerkbar, dass Unternehmen immer mehr Kohlekraftwerke gegen eine Entschädigung vorzeitig abschalten wollen. Es wird daher damit gerechnet, dass der letzte Meiler deutlich schneller vom Netz geht, als bis zum gesetzlich festgelegten Termin spätestens im Jahr 2038.
Das Handelssystem hat inzwischen weltweit Nachahmer gefunden. Klimaschützer fordern eine internationale Vernetzung der Systeme, um den Kampf gegen die Erderwärmung so besser steuern zu können.
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