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BoE erhöht Leitzins – Wegen hoher Inflation weiter unter Zugzwang

Von:
Reuters
Veröffentlicht: Dec 15, 2022, 13:36 GMT+00:00

- von David Milliken London/Berlin (Reuters) - In Zeiten einer drohenden Rezession und hoher Inflation steigt der Leitzins in Großbritannien weiter.

ARCHIV: Gesamtansicht des Gebäudes der Bank of England in London

– von David Milliken

London/Berlin (Reuters) – In Zeiten einer drohenden Rezession und hoher Inflation steigt der Leitzins in Großbritannien weiter.

Die Bank von England (BoE) hob ihn am Donnerstag zum neunten Mal in Serie an – und zwar um einen halben Punkt auf 3,50 Prozent. Zugleich erklärten die Währungshüter, dass weitere Schritte nach oben im Kampf gegen den Preisauftrieb womöglich nötig würden. Im November hatten sie mit einer Erhöhung um 0,75 Prozentpunkte den größten Zinsschritt seit 33 Jahren gewagt, um die Inflation zu bändigen. Die hat sich zuletzt leicht abgeschwächt – auf 10,7 Prozent. BoE-Chef Andrew Bailey teilte Finanzminister Jeremy Hunt nunmehr schriftlich mit, dass er den Inflationsgipfel überschritten sieht. Dennoch werde der Preisauftrieb voraussichtlich in den kommenden Monaten noch sehr hoch bleiben.

Die Währungshüter in London folgten mit ihrer Zinserhöhung der US-Notenbank Fed, die am Mittwoch ebenfalls einen Schritt in Höhe von einem halben Prozentpunkt vollzogen hatte und damit ebenfalls ihr Tempo drosselte. Der Zinsentscheid in London war intern allerdings umstritten: Der Beschluss für die Erhöhung um 50 Basispunkte fiel mit sechs zu drei Stimmen. Die Währungshüterin Catherine Mann wollte einen größeren Schritt wie im November, während ihre Kolleginnen Silvana Tenreyro and Swati Dhingra für einen Stopp der Erhöhungen votierten. Für den Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger, zeigt die Abstimmung, dass die Dissonanzen bezüglich des künftigen Leitzinskurses offenbar zunehmen: “Immerhin gerät die Notenbank bei Wachstum und Inflation immer mehr zwischen die Fronten. Es muss aber schon viel geschehen, damit die Vier bis März nicht vor das Leitzinskomma rückt.”

Anleger zogen sich nach dem Beschluss aus dem Pfund Sterling zurück. Die britische Währung fiel auf 1,2301 Dollar von zuvor 1,2342 Dollar. Die Uneinigkeit unter den Notenbankern sorge für Verwirrung unter Anlegern, sagte Naeem Aslam, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses AvaTrade.

Die BoE steht unter Zugzwang, da die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten auf der Insel zu sozialen Spannungen geführt haben, die Streikwellen auslösten. Mit dem straffen Zinskurs soll die Inflation bekämpft werden. Allerdings könnte damit auch die Konjunktur weiter belastet werden, da Kredite für Investitionen und Konsum teurer werden. Und dies vor dem Hintergrund, dass das Land in diesen Winter vor einer Welle von Streiks steht, die das Schienennetz und den Postdienst lahmlegen und sich Flughäfen auf Störungen über Weihnachten vorbereiten. Gewerkschaften gehen davon aus, dass im laufenden Monat mehr als eine Million Arbeitstage durch Streiks verloren gehen werden.

Neuer winter des unmuts?

Dies weckt Erinnerungen an den sogenannten “Winter des Unmuts” von 1978/79, der in Großbritannien durch zahlreiche Streiks und klirrende Kälte geprägt war. Die Zentralbank befürchtet zudem, dass dem Vereinigten Königreich eine lange Rezession droht. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erwartet, dass Großbritannien 2023 schwächer abschneiden wird als die meisten anderen Volkswirtschaften Europas. Im Drei-Monatszeitraum von August bis Oktober ging die Wirtschaftsleistung bereits um 0,3 Prozent zurück. Für das Schlussquartal 2022 erwartet die BoE ein Minus beim Bruttoinlandsprodukt von 0,1 Prozent.

Die Briten leiden unter der Energiekrise und der hohen Inflation, die an der Kaufkraft der Bürger nagt. Arbeitnehmer in zahlreichen Branchen wollen mit Streiks kräftige Lohnerhöhungen erzwingen. Am Donnerstag war auch das Pflegepersonal im staatlich finanzierten Gesundheitssystem NHS zum Streik aufgerufen – der erste der Krankenschwestern -und pfleger in der 106-jährigen Geschichte ihrer Gewerkschaft. Es wurde erwartet, dass zahllose Termine und Operationen ausfallen. Die Chefin der Krankenpfleger-Gewerkschaft RCN, Pat Cullen, sprach von einem “tragischen Tag” für die Pflege, für Patienten und auch für den NHS. Die Forderung einer Lohnerhöhung von 19 Prozent steht im Raum. Die auf Sparkurs eingeschwenkte Regierung des britischen Premierministers Rishi Sunak sperrt sich dagegen.

(Büro London, geschrieben von Reinhard Becker, Mitarbeit Rene Wagner, Klaus Lauer, Reuters-Marktteam, redigiert von Kerstin Dörr; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

Über den Autor

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