(Reuters) - Der russische Präsident Wladimir Putin bestimmt seit über zwanzig Jahren die Geschicke Russlands.
(Reuters) – Der russische Präsident Wladimir Putin bestimmt seit über zwanzig Jahren die Geschicke Russlands.
In diese Zeit fallen etliche Konflikte, an denen Russland beteiligt war und noch immer ist: so der zweite Tschetschenien-Krieg 1999 bis 2009, der nur wenige Tage dauernden Krieg gegen das Nachbarland Georgien 2008, der noch immer andauernde Konflikt in Syrien und die Invasion der Ukraine vor einem Jahr. Putin umgibt sich mit einem engen Führungskreis aus Politikern, Militärs und Geheimdienstlern, die er zum Teil seit Jahrzehnten kennt. Im Folgenden einige der wichtigsten Personen dieser Entourage:
Lawrow ist seit 2004 Außenminister und damit der dienstälteste russische Spitzendiplomat seit Ende der Sowjetunion 1991. Während des Kalten Krieges war er Diplomat in Sri Lanka, bevor er Russland in den 90er Jahren bei den Vereinten Nationen vertrat. Von diesem Botschafterposten holte ihn Putin zurück nach Moskau und machte ihn zum Außenminister. Seither hat er die Abkühlung der Beziehungen Russlands zum Westen vorangetrieben. Mit Beginn der Invasion der Ukraine tritt Lawrow zunehmend als Falke auf. So warf er den USA im Januar vor, ähnlich wie einst Adolf Hitler und Napoleon Bonaparte gegen sein Land vorzugehen. “Genauso wie Hitler eine ‘Endlösung’ der jüdischen Frage wollte, sagen westliche Politiker jetzt ganz klar, dass Russland eine strategische Niederlage erleiden muss.”
Der Westen dränge die Ukraine dazu, die essenziellen Interessen seines Landes wie auch die des russischen Verbündenten Belarus zu gefährden, sagte Lawrow bei anderer Gelegenheit. Der Ukraine wirft er vor, Friedensgespräche abzulehnen, Russland aber sei dazu bereit. Die Ukraine und die USA dagegen sehen keine ernsthafte Bereitschaft Russlands zu Verhandlungen. Über den Konflikt zwischen Russland und dem Westen sagte Lawrow unlängst, dieser könne nicht länger als ein “hybrider Krieg” bezeichnet werden. Vielmehr sei er schon näher an einem richtigen Krieg, erklärte er und warf dem Westen vor, Waffen im Wert von Milliarden Dollar in die Ukraine zu schicken.
Schoigu ist seit 2012 Verteidigungsminister und gilt als Vertrauter, manchen gar als Freund Putins. In seine Amtszeit fallen die Unterstützung der pro-russischen Separatisten in der Ostukraine seit 2014, die Annexion der Krim im selben Jahr und die Beteiligung im Krieg in Syrien an der Seite von Präsident Baschar al-Assad. Für den Verlauf des Krieges in der Ukraine, der nicht den raschen Sieg, dafür aber mehrere herbe Rückschläge brachte, wurde Schoigu von Kommentatoren kritisiert. Dennoch hält Putin an dem 67-Jährigen fest, der über alle Maßen loyal zum Präsidenten steht. Dem Westen wirft Schoigu vor, mit seinen Waffenlieferungen an die Ukraine den Konflikt in die Länge ziehen zu wollen.
Als Schoigu im März 2022 – wenige Wochen nach Kriegsbeginn – länger nicht mehr in der Öffentlichkeit oder im Fernsehen gesehen wurde, schossen die Spekulationen ins Kraut. Von Krankheit war die Rede, von Ungnade, in die er bei Putin gefallen sei. Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow tat dies als Gerede ab. Der Minister sei nicht krank, er habe einfach Wichtigeres zu tun als in den Medien aufzutreten.
Medwedew war von 2008 bis 2012 russischer Präsident. Heute ist er der Stellvertreter Putins an der Spitze des Nationalen Sicherheitsrates. Vor Jahren galt Medwedew als eine der zurückhaltenderen Personen in Putins Umfeld. Spätestens seit Beginn der Invasion ist das vorbei. Seither hat er westlichen Staaten mehrfach mit drastischen Schritten gedroht, sollten sie ihre Militärhilfe für die Ukraine verstärken – bis hin zum Einsatz von Atomwaffen.
Seine Äußerungen geben einen Einblick in die Denkweise der russischen Führung – mitten im schwersten Konflikt zwischen Russland und dem Westen seit der Kuba-Krise 1962. Denn als führendes Mitglied im Nationalen Sicherheitsrat bestimmt Medwedew die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik mit. Zudem leitet er eine Regierungskommission für Waffenproduktion.
Wie eng Putin und Medwedew zusammenarbeiten, zeigt ihre Ämterrochade. Als die Verfassung noch dem Präsidenten maximal zwei Amtszeiten in Folge erlaubte, trat Medwedew bei der Wahl 2008 an und gewann wie erwartet. Putin – bis dahin Präsident – wurde Ministerpräsident. 2012 tauschten die beiden die Ämter. Medwedew wurde Ministerpräsident und blieb dies bis 2020.
Patruschew ist einer der engsten Vertrauten Putins und hat als Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates immensen Einfluss. Patruschew stammt wie Putin aus St. Petersburg, die beiden kennen sich seit Jahrzehnten. Patruschew war Putins Nachfolger als Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB und leitete diesen von 1999 bis 2008. Der 71-Jährige gehört zu den Silowiki – dem engsten Kreis um Präsident Putin aus Angehörigen des Militär- und Sicherheitsapparates.
Patruschew gilt als Hardliner in der Außen- und Sicherheitspolitik. Europa steht er sehr kritisch gegenüber, über die Ukraine hat er sich abfällig geäußert. Den Iran, der Russland Drohnen lieferte, die in der Ukraine eingesetzt werden, besuchte er erst im November. Bei den Beratungen sei es um eine Kooperation in Sicherheitsfragen gegangen und um “Maßnahmen zur Bekämpfung der Einmischung westlicher Geheimdienste in die inneren Angelegenheiten beider Länder”, wie der russische Sicherheitsrat mitteilte.
Gerassimow wurde 2012 von Putin zum Generalstabschef und Vize-Verteidigungsminister ernannt – drei Tage nach der Kür Schoigus zum Verteidigungsminister. Im Januar machte dieser Gerassimow zum Kommandeur der kombinierten Streitkräfte in dem von Russland so genannten militärischen Sondereinsatz in der Ukraine. Gerassimow übernahm die Funktion von Sergej Surowikin, der von russischen Medien wegen seiner ihm unterstellten Rücksichtslosigkeit “General Armageddon” genannt wurde und diesen Posten erst im Oktober übernommen hatte. Surowikin wurde Gerassimows Stellvertreter.
Gerassimow gilt als enger Vertrauter Schoigus. Mit seiner Ernennung wird Experten zufolge die Position des Ministeriums gestärkt. Manch ein Analyst ist überzeugt, dass Surowikin, ein Veteran der Kriege in Syrien und Tschetschenien, als Befehlshaber in der Ukraine zu viel Einfluss gewonnen hatte.
Der Unternehmer ist Gründer und Chef der Wagner-Gruppe, deren Söldner im Kampf in der Ukraine eine wichtige Stütze des russischen Militärs sind. Erst im September räumte er erstmals öffentlich ein, mit der Wagner-Gruppe etwas zu tun zu haben, die er nach eigenen Angaben 2014 gegründet hat. Die Gruppe, die weit mehr ist als eine Söldner-Truppe, hat Militär- und Bergbauverträge in Afrika. Prigoschin besitzt zudem ein riesiges Catering-Unternehmen, das staatliche Einrichtungen versorgt, sowie Trollfabriken und Medien.
Dem reichen Geschäftsmann, der das letzte Jahrzehnt der Sowjetunion wegen Raubes und Betrugs im Gefängnis saß, wird Nähe zu Putin nachgesagt. Wie viel Einfluss er tatsächlich in Putins Entourage hat, ist nicht klar. Lange scheute er sich nicht, sich öffentlich mit Militär und Verteidigungsministerium anzulegen, wenn er dort Fehler ausmachte oder die Leistung seiner Söldner nicht ausreichend gewürdigt sah. Nun aber mehren sich Hinweise, dass die Regierung Prigoschins Einfluss zurückdrängen will. So wurde er Insidern zufolge angewiesen, seine öffentliche Kritik am Verteidigungsministerium einzustellen, und die staatlichen Medien wurden aufgefordert, die Wagner-Truppe und Prigoschin nicht mehr namentlich zu nennen. Er bestätigte, dass er seine Söldner nicht länger eigenständig in Straflagern rekrutieren dürfe. Das übernimmt einer Gefangenenrechtsorganisation zufolge das Verteidigungsministerium.
Wie Prigoschin mischt auch Kadyrow im Krieg in der Ukraine mit – ihre Einheiten agieren weitgehend unabhängig vom russischen Oberkommando. Kadyrow ist seit 2007 in der im Süden Russlands im Kaukasus gelegenen Teilrepublik Tschetschenien an der Macht. Putin machte sich für den Sohn des früheren tschetschenischen Präsidenten Achmat Kadyrow stark, der 2004 ermordet wurde. Menschenrechtler werfen Ramsan Kadyrow vor, für schwerwiegenden Missbrauch, Willkür und Übergriffe verantwortlich zu sein. Die USA hatten ihn schon vor einigen Jahren mit Sanktionen belegt.
Kadyrows Truppen spielten bei der Einnahme der südukrainischen Hafenstadt Mariupol eine große Rolle. Seine Einheiten sind ebenso für ihre Rücksichtslosigkeit berüchtigt wie die Wagner-Söldner Prigoschins. Und wie dieser hat Kadyrow des Öfteren öffentlich das Militär kritisiert. Im Oktober, nach einem erneuten Rückschlag für das russische Militär, schlug Kadyrow vor, die Regierung in Moskau solle den Einsatz einer Atomwaffe mit geringer Sprengkraft in Betracht ziehen. Mit Prigoschin und anderen nationalistischen Hardlinern hat Kadyrow ein informelles Bündnis geschmiedet, dass den Krieg gegen die Ukraine unterstützt und sich für ein massives Vorgehen einsetzt. Von Prigoschin hat sich Kadyrow dessen Geschäftsmodell einer Söldner-Truppe abgeschaut: “Wenn mein Dienst für den Staat beendet ist, plane ich ernsthaft, mit unserem lieben Bruder Jewgeni Prigoschin in Konkurrenz zu treten und eine private Militärfirma zu gründen.”
(Zusammengestellt von Sabine Ehrhardt, redigiert von Kerstin Dörr. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)
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