- von Howard Schneider und Andrea Shalal
– von Howard Schneider und Andrea Shalal
Washington (Reuters) – Die Vizechefin der Fed, Lael Brainard, wechselt als Top-Wirtschaftsberaterin ins Weiße Haus und reißt damit eine Lücke ins Personaltableau der US-Notenbank.
Die 61-Jährige gilt nach fast einem Jahrzehnt in den Diensten der Fed als eine schwer zu ersetzende Führungsfigur. In Washington werden allerdings bereits Namen für die Nachfolge gehandelt – so etwa Fed-Direktorin Lisa Cook oder der Chef des einflussreichen Notenbankbezirks New York, John Williams. Doch der anstehende Abgang Brainards kommt für die Fed zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Die Notenbank ist bei der Bekämpfung der Inflation auf dem Weg zum Zinsgipfel und steht vor einer schwierigen Gratwanderung.
Die Fed will den Preisauftrieb mit strafferen Finanzierungskonditionen dämpfen, ohne die Wirtschaft in eine Rezession zu stürzen. Nach Ansicht der Präsidentin des Economic Policy Institute, Heidi Shierholz, ist es “unglaublich wichtig”, dass US-Präsident Joe Biden eine geeignete Führungsfigur findet, die in Brainards Fußstapfen treten kann. Die Vizechefin der Fed habe sich einen guten Ruf erworben. Sie gelte als mit “Zurückhaltung und Geduld” agierende Inflationsbekämpferin – eine Linie, mit der sich die Fed angesichts des stetig abebbenden Preisdrucks bestätigt sehen könne. Denn wenn zu stark an der Zinsschraube gedreht werde, sei die Gefahr einer Rezession weit höher, meint Shierholz.
Brainard hat die zum Teil aggressiven Zinsschritte der Fed mitgetragen, zuletzt aber auch zur Vorsicht beim weiteren Kurs gemahnt. Doch auch sie hält das Zinsniveau noch nicht für ausreichend restriktiv, um die Teuerungsrate nachhaltig in Richtung des Ziels der Fed von 2,0 Prozent zu drücken.
Da Brainard ohne Bestätigung durch den Senat Präsidentenberaterin werden kann, kann ihr Wechsel ins Weiße Haus relativ rasch über die Bühne gehen. Voraussichtlich schon ab dem 20. Februar wird ihr Posten bei der Fed frei und damit vor der nächsten Zinssitzung im März. Ihre Nachfolge zu regeln, dürfte erfahrungsgemäß langwieriger verlaufen. So dauerte es nach dem Abgang des einstigen Fed-Vizechefs Stanley Fischer im Oktober 2017 insgesamt elf Monate, bis mit Richard Clarida ein Nachfolger sein Amt antreten konnte.
FAKTOR DIVERSITÄT
Im derzeitigen Umfeld wäre eine derart lange Vakanz an einer Schlüsselstelle für die Notenbank durchaus problematisch. Und selbst bei einer perfekt passenden Nachfolgeregelung werde es der Person auf dem Stuhl Brainards künftig schwer fallen, rasch ähnlichen Einfluss auf die Geldpolitik zu nehmen wie es die erfahrene Währungshüterin getan habe, sagt Fed-Beobachter Peter Williams von der Investmentbank Evercore ISI voraus.
In der Notenbank war Brainard zwischenzeitlich sogar für den Chefsessel im Gespräch. Biden entschied sich allerdings dafür, Jerome Powell für eine zweite Amtszeit an der Spitze der Zentralbank zu halten und Brainard zu dessen Stellvertreterin zu machen.
Für Biden dürfte sich nun die Frage stellen, ob er erneut eine Frau mit der Aufgabe betrauen und somit die Diversität im Führungsgremium der Notenbank stärken soll. Dann könnte es auf Lisa Cook hinauslaufen, die voriges Jahr als erste afroamerikanische Frau in das Direktorium der US-Zentralbank einrückte. Auch die Chefin des Notenbankbezirks San Francisco, Mary Daly, käme für den Vizeposten in Frage. Sollte sie aufrücken, müsste der Senat für ihre Nachfolge kein grünes Licht geben. Anders sieht dies bei Direktoren aus, für deren Nominierung eine Bestätigung durch die Kongresskammer obligatorisch ist.
Womöglich wird Biden bei der Nachfolge Brainards außerhalb der Notenbank fündig: Als mögliche Kandidaten gelten unter anderen Seth Carpenter von der US-Investmentbank Morgan Stanley und der Harvard-Professor Jason Furman. Auch die langjährige Fed-Bankerin und heutige Staatssekretärin im US-Finanzministerium, Nellie Liang, käme in Frage: Sie war bereits vom ehemaligen Präsidenten Donald Trump als Fed-Direktorin nominiert worden, stieß jedoch auf Widerstand der Bankenbranche, die ihren Regulierungsansatz als zu streng ansah. Sie machte schließlich einen Rückzieher, da der Senat keine Anhörung anberaumt hatte.
(geschrieben von Reinhard Becker; Redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)
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