Nachdem sich der Silberpreis ab Ende September ausgehend von 21,39 US-Dollar zunächst um stolze 18,4% bis auf 25,12 US-Dollar erholen konnte, konterten die Bären in den letzten Tagen diesen Anstieg deutlich. So fiel der Silberpreis zügig bis auf 23,28 US-Dollar zurück. Technisch betrachtet war es die weiterhin fallende 200-Tagelinie (25,21 US-Dollar), welche den Vormarsch der Bullen stoppte.
ifo-Geschäftsklimaindex im Vergleich zum Euro-Kursverlauf, Stand 24.11.2021 © Holger Zschaepitz
Fundamental betrachtet sorgt vor allem der starke US-Dollar für den Gegenwind an den Edelmetall- und Rohstoffmärkten. Dabei scheinen auf den ersten Blick zum einen der schwache Euro und die Tatsache, dass sich der ifo-Geschäftsklimaindex für Deutschland immer weiter eintrübt, für die Dollarstärke verantwortlich. So fällt das Geschäftsklima bereits den 5.Monat in Folge, während die EZB ihre Bilanzsumme auch in der vergangenen Woche wieder um weitere 27,9 Mrd. Euro ausgeweitet hat.
Noch viel stärker aber drückt der globale „US-Dollar Short Squeeze“ den Dollar gegen so ziemlich alle anderen Währungen gnadenlos weiter nach oben. Schließlich ist der Dollar noch immer die wichtigste globale Reservewährung, also das internationale Tauschmittel und ein wichtiges Wertaufbewahrungsmittel für fast alle großen Länder, auch wenn die meisten von ihnen ihre eigenen Währungen im Inland verwenden.
Weiterhin werden fast das gesamte Öl und auch viele andere Rohstoffe weltweit in Dollar abgerechnet. Wenn Frankreich zum Beispiel Öl von Saudi-Arabien kauft, zahlt es nicht in seiner eigenen Währung Euro, sondern in Dollar. Allein dadurch existiert praktisch nonstop eine solide Nachfrage nach US-Dollar.
Das große Risiko dieses Systems besteht allerdings darin, dass viele ausländische Regierungen und Unternehmen Kredite in US-Dollar aufnehmen, obwohl der größte Teil ihrer Einnahmen auf ihre Landeswährung entfällt. Der Kreditgeber dieser Dollars ist dabei oft nicht einmal eine US-Institution. Auch ausländische Kreditgeber vergeben oft Kredite an ausländische Kreditnehmer in Dollar. Dadurch entsteht für den Kreditnehmer ein Währungsrisiko, eine Diskrepanz zwischen der Währung seiner Einnahmen und der Währung seiner Schulden.
Kreditnehmer tun dies, weil man niedrigere Zinssätze erhalten kann, wenn man einen Kredit in Dollar statt in seiner Landeswährung aufnimmt. Manchmal sind auf Dollar lautende Anleihen und Kredite auch die einzige Möglichkeit, um an Liquidität zu kommen. Somit trägt nicht der Kreditgeber das Währungsrisiko, sondern der Kreditnehmer. Auf diese Weise geht der Kreditnehmer im Grunde genommen eine Leerverkaufsposition gegenüber dem US-Dollar ein, ganz egal ob er will oder nicht.
Wenn der Dollar nun stärker wird, ist das für ihn ein Nachteil, denn seine Schulden steigen im Verhältnis zu seinen Einkünften in der Landeswährung. Wenn der US-Dollar hingegen schwächer wird, wird der Kreditnehmer teilweise entschuldet, weil seine Schulden im Verhältnis zu seinen Einnahmen in der Landeswährung sinken.
Kursverlauf der türkischen Lira seit 2016, Stand 23.11.2021, © Holger Zschaepitz
Blickt man beispielsweise auf den dramatischen Währungsverfall der türkischen Lira, kann man sich die eskalierende Flucht aus den Währungen der Schwellenländer hinein in den US-Dollar gut vorstellen. Dieser Trend beschleunigt sich aktuell und könnte sich zu einem Flächenbrand ausbreiten, denn die weltweite US-Dollar Überschuldung ist seit dem letzten großen „US-Dollar Short Squeeze“ im Jahr 2008 weiter angestiegen. Auch der Zusammenbruch des chinesischen Immobilienmarktes dürfte seit Wochen und Monaten mit dazu beitragen.
Kursentwicklung Schwellenländer-Währungen im Jahr 2021, Stand 23.11.2021, © Holger Zschaepitz
Trotz einer stark überkauften Lage kann der Short Squeeze beim US-Dollar durchaus noch weitergehen. Früher oder später wird die amerikanische Fed aber reagieren müssen. Dann heißt es zurückrudern mit dem „Tapering“ und „Zinserhöhungsgeschwätz“. Der erneut zum FED-Chef nominierte Jerome Powell musste diesen Schritt im Jahr 2018 schon einmal kurz nach Weihnachten gehen.
Erst wenn die Märkte den Bluff der Fed erkennen und sich wirklich klarmachen, dass es kein Zurück aus den exponentiellen Geldmengen-Ausweitungen mehr geben kann, werden die Edelmetalle wieder in bullisches Fahrwasser gelangen. Das Ganze kann schnell und innerhalb weniger Wochen vonstatten gehen, wahrscheinlicher aber ist es, dass es den Zentralbanker mal wieder gelingt mehr Zeit zu erkaufen als sich das die meisten Gold- und Silberfans vorstellen können.
Dass sich Gold (-5,7%) und Silber (-10,3%) trotz der Dollarstärke (+8,05%) auf Jahressicht bislang insgesamt doch recht gut gehalten haben, ist sowieso schon beachtlich. Auf Euro-Basis liegt der Goldpreis (+3,67%) sogar leicht im Plus, während das Minus beim Silberpreis (-2,84%) marginal ist.
Insgesamt müssen sich Edelmetall-Investoren einfach noch weiter gedulden, denn im großen Bild arbeitet der Silberpreis potenziell an einer riesigen Cup & Handle Formation. Deren erfolgreiche Auflösung wäre allerdings erst mit Kursen oberhalb von ca. 50 USD bestätigt. Da Silber für seine „Tasse“ von 1980 bis 2011 fast 31 gebraucht hat, stehen die derzeitigen 10 Jahre für den Henkel (von 2011 bis 2021) in einem vernünftigen symmetrischen Verhältnis. Ein bis zwei Jahre könnten aber trotzdem durchaus noch vergehen, bis Silber den Ausbruch im ganz großen Bild schafft.
Tageschart Silber in US-Dollar – Leicht überverkauft
Auf dem Tageschart hat sich der Silberpreis in den letzten vier Wochen mustergültig an unseren Fahrplan vom 28.Oktober gehalten. Der erwartete Vorstoß bis zur 200-Tagelinie (25,24 US-Dollar) ist gelungen und es folgte der ebenfalls vermutete Rückfall. Nun kommt es darauf an, ob und wie schnell sich die Silbernotierungen um 23,25 bis 23,50 US-Dollar wieder fangen können. Gelingt dies in den nächsten Tagen bzw. ein bis zwei Wochen, wäre ein weiterer Angriff auf die 200-Tagelinie absehbar.
Unterhalb von 22,90 US-Dollar ist aber bereits wieder Gefahr im Verzug. Dann wäre die Rally seit Ende September lediglich eine vorübergehende Gegenbewegung im seit Februar etablierten Abwärtstrend gewesen. Angesichts der überverkauften Tages-Stochastik sowie der eher günstigen saisonalen Komponente in den kommenden zwei Monaten, stehen die Chancen für die Bullen aber etwas besser.
Insgesamt ist der Tageschart schon wieder leicht überverkauft, während Silber übergeordnet weiter seitwärts läuft. Eine weitere Erholungswelle hat kurzfristig gute Chancen. Mittelfristig ist der Silbermarkt aber neutral einzustufen. Erst wenn der nachhaltige Ausbruch über die starke Widerstandszone um 30 US-Dollar gelingt, dürfte sich der Bullenmarkt endlich fortsetzen. Bis dahin sollten Edelmetall-Anleger vorsichtshalber noch einige verwirrende Schlenker einplanen.
Silber in Euro: Neues Kauflimit bei 20,50 Euro
Mit Kursen um 19,90 Euro wurde unser Kauflimit von 20,00 Euro zuletzt am 4.November aktiviert. Mittlerweile steht der Silberpreis gut einen Euro höher. Wir ziehen das Kauflimit leicht auf 20,50 Euro nach.
Autor: Florian Grummes
Technischer Analyst
www.cashkurs-gold.de
Quelle: GOLD.DE
Florian Grummes ist unabhängiger Finanzanalyst, Berater, Trader & Investor, sowie internationaler Redner mit mehr als 25 Jahren Erfahrung um Finanzmarkt. Über Midas Touch Consulting veröffentlicht er wöchentlich Gold, Silber & Krypto Analysen für seine zahlreiche internationale Leserschaft. Er hat auch einen grossen Telegram channel incl. outstanding Echtzeit-Krypto-Signal. Florian ist bekannt dafür, technische, fundamentale und Stimmungsanalysen zu einer oft genauen Schlussfolgerung über die Märkte zu kombinieren.