Stimmungstief im trüben Börsenmonat September – EZB vor Mega-Zinserhöhung.
Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege
02. September 2022
Die positive Nachricht dieser Handelswoche ist die, dass der DAX seinem Jahrestief zwar gefährlich nah gekommen ist, sich aber an der 12.600er Marke fangen und stabilisieren konnte. Mit dem kleinen Hoffnungsschimmer einer Abkühlung auf dem bislang brummenden US-Arbeitsmarkt kann der Index zum Wochenschluss sogar wieder Kurs auf die psychologische Hürde von 13.000 Punkten nehmen.
Eine nachhaltige Erholung erscheint dennoch unwahrscheinlich. Denn der Markt ist sowohl technisch als auch fundamental unter den denkbar ungünstigsten Voraussetzungen in die statistisch betrachtet schwächste Börsenphase des Jahres gestartet.
315.000 neu geschaffene Stellen außerhalb der Landwirtschaft im August in den USA waren zwar wieder etwas mehr als erwartet, aber zumindest die Zahlen zur Lohnentwicklung machen Hoffnung darauf, dass sich die Situation auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt in den kommenden Monaten etwas entspannen könnte.
Die Löhne stiegen um 5,2 Prozent und damit etwas weniger stark als erwartet. Während die jüngsten Konjunkturdaten aus den USA aber alles in allem eine weiterhin robuste Wirtschaft indizieren, werden die Sorgenfalten und damit Rezessionsgefahren in China und Europa umso größer. Die Regierung in Peking hält strikt an ihrer Null-Covid-Politik fest und schickte in dieser Woche erneut 21 Millionen Menschen in Chengdu in den Lockdown.
Für einen harten Winter in Europa könnten die aktuellen Turbulenzen auf dem Energiemarkt sorgen. Nachdem auch der Strompreis im Gefolge steigender Öl- und Gasnotierungen bereits nur eine Richtung kennt, bricht nun die Angebotsseite weiter ein.
Durch die niedrigen Wasserstände sind Kohlekraftwerke in Deutschland bereits gezwungen, weniger Strom zu produzieren. Von den Atomkraftwerken in Frankreich ist nur noch jedes zweite am Netz. Das Land produziert mittlerweile so wenig Strom, dass es diesen importieren muss, anstatt wie zuvor seine Nachbarländer zu versorgen.
Dabei sind es vor allem die steigenden Energiepreise, die die Inflation weiter anheizen. Am kommenden Donnerstag steht mit der Sitzung der EZB der wohl wichtigste Termin der Woche im Börsenkalender. Spätestens der jüngste Anstieg der Verbraucherpreise in der Eurozone um 9,1 Prozent im August zwingt die Notenbank jetzt zu entschlossenem Handeln.
Auch in Deutschland sind die Preise im vergangenen Monat noch mit dem 9-Euro-Ticket und dem Tankrabatt stärker als erwartet gestiegen. Dies schürt die Angst vor einer zweistelligen Inflationsrate in den kommenden Monaten und setzt die EZB noch stärker unter Druck. Selbst eine historische Erhöhung um 75 Basispunkte am Donnerstag wäre deshalb schon keine wirkliche Überraschung mehr.
Damit dürften Anleihen allerdings dann noch ein Stück attraktiver gegenüber den aktuell mit hohem Risiko versehenen Aktien werden und den Börsen weitere potenzielle Käufer abhandenkommen.
Ganz so golden dürfte es beim DAX in der kommenden Woche nicht aussehen. Von einer nachhaltigen Trendwende nach oben kann erst bei einem Überwinden des Widerstandes bei 13.150 Punkten gesprochen werden. Ob der Markt in der kommenden Woche dazu in der Lage ist, dürfte auch ein wenig davon abhängen, ob Russland am Samstag wieder Gas durch Nord Stream 1 fließen lässt, denn dann sollen die mutmaßlich vorgeschobenen Wartungsarbeiten beendet sein.
Unterstützungen: 12.600/12.629 + 12.420/12.370 + 12.000/12.100
Widerstände: 12.800/12.830 + 12.950/12.970 + 13.050/13.150
Dieser Artikel stammt von RoboMarkets.